20111230

Hardcore-Forschung aus dem deutschen Hinterland - ein Erfahrungs- und Leidensbericht

Über Quäkerforschung kursieren mitunter die merkwürdigsten Vorstellungen. So mancher bildet sich ein, man würde immer hinter dem PC sitzen und dabei eine Menge Geld verdienen. Beides ist ein krasser Irrtum – Quäkerforschung ist mitunter extrem anstrengend, und anstatt etwas dabei zu verdienen, zahlt man obendrauf. Eine Unsumme habe ich in den letzten zwanzig Jahren bestimmt in Buchprojekte, Forschungsreisen, Bildrechte etc. investiert – an die Arbeitsstunden darf man dabei gar nicht denken. Einfach unbezahlbar. Aber ich gebe zu: es macht auch einen Riesenspass und ich lerne Menschen dabei kennen, denen ich ansonsten nie begegnet wäre.

Ein Höhepunkt der Tiefpunkte war meine Reise zum Quäkerfriedhof Hille im vergangenen Jahr 2011.

Neu: Quäkertexte als e-book

In Kooperation mit meinem langjährigen Verlag Bautz können jetzt zwei meiner Quäkerbücher auch als e-book erworben werden. Das hat auch den Vorteil, dass man über die Suchfunktion schnell das findet, was einen gerade interessiert.

Es handelt sich um meine Quäkerbibliographie und um "Quäker aus Politik, Wissenschaft und Kunst" - also die beiden Bücher, die sich mit Abstand am besten verkauft haben:





Derzeit scheint es, als ob ich tatsächlich als erster deutsche Quäkerbücher als e-book anbiete - andere werden bald folgen, davon bin ich überzeugt. Es ist die Zukunft, und es ist eine Frage der Zeit, wann die DJV hier endlich nachzieht. Vielleicht wird ja eines Tages einmal die Richard-Cary-Vorlesung als e-book vertrieben? Schön und sinnvoll wär's.

20111229

Ökumenischen Rundschau: Anfänge der ACK



Am 15. Dezember 2011 hat mich Karl-Heinz Voigt angeschrieben und mich auf einen Beitrag in der Ökumenischen Rundschau (April 2009, 58. Jg., Heft 2, S. 235-250) hingewiesen mit der Bitte um Bekanntmachung. In der Tat war mir dieser wertvolle Text "Von der ökumenischen Friedensfahrt 1908 zur Bildung der ACK 1948" bislang unbekannt und ist leider nicht in meiner "Deutschen Quäkerbibliographie" aufgenommen (kommt aber in die dritte Auflage).

20111228

Margarethe Lachmund: Briefe

Kurz vor Weihnachten bekam ich das Buch "Seinen Ort finden", welches 2002 in Berlin in zweiter Auflage erschienen ist, anlässlich einer kleinen Fotoausstellung, die auch im Berliner Antikriegsmuseum zu sehen war. Ich staunte nicht schlecht, als ich darin Briefe von Clara Grunwald an Margarethe Lachmund fand.
Margarethe Lachmund (1896-1985) war einst eine der führenden Quäkerinnen Deutschlands. Mich persönlich interessieren ihre Briefe, da Lachmund mit Hunderten von Personen einen intensiven Briefverkehr pflegte, aus dem man die Quäkergeschichte aus einem ganz persönlichen Blickwinkel kennen lernen kann.

Da staunt auch der Koala: "Seinen Ort finden"

Weihnachten - mitfeiern oder nicht?

Einer der Artikel, die ich mir über die Feiertage zu Gemüte geführt habe, war dieser von Anne Kampf:

http://www.evangelisch.de/themen/religion/von-jesus-nachfolgern-die-kein-weihnachten-feiern55037

Zu dem Thema Quäker und Weihnachten könnte man natürlich ein ganzes Buch schreiben. Allein in der deutschen Vereinszeitschrift "Quäker" erschienen bislang immerhin elf Beiträge zu diesem Thema, die meisten allerdings vor 1960. Danach wird es etwas ruhiger um dieses Thema. Interessant finde ich immer wieder, dass das Osterfest bzgl. Quäker fast niemanden interessiert, obwohl es ja für Christen das wichtigere Fest ist. "Feierst Du Ostern" bin ich noch nie gefragt worden, aber wegen Weihnachten wollten allein in diesem Jahr drei Personen etwas wissen.

Quäkergemeinde Minden, Teil 2

Nun, kurz vor Weihnachten 2011, konnte doch noch der zweite Teil meiner "Geschichte der Quäkergemeinde Minden" erscheinen. Der Aufsatz hat den Untertitel: "Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer Selbstauflösung 1898". Der erste Teil war schon 2010 erschienen.
  
                                                           

Was also kann man vom zweiten (und letzten) Teil erwarten??

20111213

Vortrag zum Thema „Himmlisches Jerusalem“

Am 18.12.2011 werde ich einen kleinen Vortrag zu Thema „Himmlisches Jerusalem“ halten. Dabei werde ich vor allem Bildmaterial zeigen und auch zum Gespräch über Jenseitsvorstellungen anregen. Der Vortrag findet statt am kommenden Sonntag, bei den Münchener Quäkern, gegen 14 Uhr.

DJV nur zweitgrößte Versammlung deutscher Quäker

Bei Gruppenabenden der Quäker fällt zur Zeit immer wieder ein Gesprächsthema auf: die Sorge um die schrumpfende Mitgliederzahl. Dazu gab es vor einiger Zeit einen Beitrag in der Mitgliederzeitschrift „Quäker“, der immer noch aktuell ist: DJV nur zweitgrößte Versammlung deutscher Quäker.

Eine kleine Meldung am Rande: Großbritannien ist ein Land der Immigration. Globalisierung und Massenerwerbslosigkeit haben seit Mitte der 1990er Jahre vermehrt Deutsche auf die Insel gebracht. Nun haben sich die britischen Quäker einmal dafür interessiert, welche Nationen in ihren Zusammenkünften versammelt sind. Ein Ergebnis überrascht:

Konfessionskundliche Institut Bensheim

Im November 2011 gab es im Konfessionskundlichen InstitutBensheim eine gelungene, lebendige Veranstaltung, die ich in einer (gedruckten) Nachbetrachtung demnächst noch näher besprechen möchte.



Ich kann jedem Quäker und am Quäkertum Interessierten empfehlen, sein Wissen und seine Praxis in einem solchen Seminar zu erweitern.

Ausschlüsse und Andachtsverbot bei Quäkern - eine Nachfrage

Das Thema Sanktionen, Gemeindezucht und Ausschluss beschäftigt mich schon seit einigen Jahren, und erst kürzlich hat dieses schwierige Thema in München durch ein „Verbot zur Andacht“ neue Brisanz bekommen (Siehe die Darstellung des Betroffenen)

Bevor man sich eine Meinung bildet, ist es oft hilfreich, in die Geschichte und auf andere Quäkerversammlungen zu sehen.

20111211

Konsumterror, Arbeitswahn und wahre Befriedigung unserer Bedürfnisse

Frustshoppen ist leider die Freizeitbetätigung Nummer eins in westlichen Industriestaaten. Viel zu wenig wird vor dieser Sucht gewarnt, die den Menschen von innen heraus aushöhlt. Möglich wird das Dauershoppen nur durch vollen Arbeitseinsatz, und schon hat sich der Teufelskreislauf geschlossen, die Mausefalle ist zugeschnappt. Dann heißt es allein: leben, um zu arbeiten. Hier hilft nur eine radikale Umwertung und Neubewertung, eine Metaonoia der Ökonomie, eine Selbstbeschränkung und Besinnung auf die Einfachheit.

Kriegsdienstverweigerung - Militärdienstverweigerung

Die Geschichte der Kriegsdienst- oder Militärdienstverweigerungen wird größtenteils innerhalb der Geschichte des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs untersucht, und dann, wenngleich schon weniger intensiv, auch innerhalb der Geschichte der BRD und innerhalb der des Ersten Weltkriegs. Auch zur Wehr- und Kriegsdienstverweigerung, bzw. zu den Bausoldaten in der DDR liegen bereits verschiedene Untersuchungen vor. Eine im engeren Sinne wissenschaftliche Literatur zu dem Problem der Kriegsdienstverweigerungen von deutschen Quäkern existiert hingegen kaum. Lediglich in einigen älteren Arbeiten aus dem Umkreis der deutschen Quäker, die für die eigene Sache warben, wurde sich des Themas angenommen. Dass es aber im 19. Jahrhundert Kriegsdienstverweigerungen aus Gewissensgründen in Preußen gegeben hat, ist weitgehend unbekannt. Die hartnäckigsten Verweigerer, die unter keinen Umständen zum Waffendienst gebracht werden konnten, finden sich aber im Umfeld der Quäker, die ihr pazifistisches Denken auch durch Publikationen in ganz Deutschland bekannt zu machen suchten. 

Die Fälle kann man jetzt in einer umfangreicheren Online-Publikation nachlesen: 


Ich sollte vielleicht noch auf folgende lesenswerte Arbeit hinweisen, die bei Abschluss meiner Untersuchung noch nicht verfügbar war:


Christian Scharnefsky: ‚Aktiver Pazifismus’, radikale Kriegsdienstverweigerung und Religion. Die Beziehungen zwischen der War Resisters International, den Quäkern und dem International Fellowship of Reconcilliation 1920-1950, in: Helke Stadtland (Hrsg.): ‚Friede auf Erden’. Religiöse Semantiken und Konzepte des Friedens im 20. Jahrhundert, Essen 2009, S. 171-191.


20111209

Und noch eine Neuerscheinung: Quäkerschule Eerde 1937-1943

Ebenfalls neu erschienen ist jetzt das Tagebuch von Klaus Seckel. Dem Tagebuch ist ein äußerst interessanter Beitrag von Rainer Kappe angehängt: „Verfolgung und Deportation der Juden in den Niederlanden“, der mir zu meinen Studien zu dem Ehepaar Manfred und Lili Pollatz von großem Nutzen war.

Deutscher Quäkerroman von Mechtild Lutze

Wer kennt Arthur R. G. Solmssens „Berliner Reigen“? Mal ehrlich: niemand. Zumindest in Quäkerkreisen sollte dieser Roman von 1980 nicht ganz ignoriert werden, denn immerhin ist dort in dem Kapitel „Stille mit Stimmen“ eine fiktive Quäkerandacht der Berliner Gruppe beschrieben – durchaus lesenswert und gekonnt geschrieben.

                                               
Der Koala ist begeistert: endlich mal ein Quäkerbuch mit Australien!!

Nun hat die Berlinerin Mechtild Lutze nachgelegt:

20111208

Problematische Ausstellung: DJV ehrt ehemaligen Nazi-Künstler

Die DJV veranstaltet neuerdings in der Berliner Planckstraße kleine Kunstausstellungen. Da nur die wenigsten Mitglieder der DJV die Möglichkeit haben, diese vor Ort anzusehen und ansonsten nirgendwo über die Ausstellung berichtet wurde, erlaube ich mir hier kurz einige Überlegungen.

20111206

Friedensblog der DJV: abschalten oder ausbauen?

Der Friedensausschuss betreibt tatsächlich einen Blog, oder versucht es zumindest:

Ich muss sagen, dass ich kaum auf diese Seite komme, und wenn nicht The Independent Friend kürzlich davon berichtet hätte (http://www.the-independent-friend.de/?q=node/797), hätte ich mich an den Friedensblog gar nicht mehr erinnert.

Der letzte Eintrag stammt vom September 2010, ist also gut 15 Monate alt. Dabei wäre das Thema eigentlich gerade für Quäker wichtig und ich weiß, dass genügend Leute zu Friedens- und Versöhnungsfragen schreiben, auch im Internet.

Mottokalender 2012

Kerstin Mangels kennen viele Leser hier als langjährige Quäker-Redakteurin. Viele Hefte dieser Zeitschrift wurden von ihr mit Sprüchen zur Inspiration und zum Nachdenken bereichert.

Jetzt gibt es von ihr einen günstigen Mottokalender "Freude und Inspiration verschenken" für das Jahr 2012.

Der Kola ist begeistert: endlich mal was für den kleinen (Geld)Beutel!

In dem Kalender finden sich geniale Sprüche, auch von Quäkern,

20111205

Unser Buch: Zitate zum Denken und Nachdenken

Immer wieder stoße ich beim Lesen auf Quäkerzitat, die für das Projekt "Unser Buch" http://unserbuch.wikispaces.com geeignet sind und gerne weiterempfehle:

Eberhard Küttner (1949-2011):
 „Erfahrung ist nicht das, was uns widerfährt, sondern das, was wir für uns daraus machen“.

Otto Buchinger (1878-1966):
„Verringre dein Gepäck, dann kommst du schneller aus dem Dreck“.
(gefunden in: Otto Buchinger: Ums Ganze, Bad Pyrmont 1947, S. 101)

Jochen Dudeck, (geb. 1953)
 „Jesus steigt nicht vom Kreuz herab. Nur durch das ‚Kreuzholz der Realität’ hindurch kann es ‚Auferstehung’ geben, Offenheit für das, was möglich ist“.
(gefunden in: Zeitschrift Quäker, 2006, S. 231)

Erstes Toleranzedikt von 1800 entdeckt


Eine kleine Sensation, die die Welt zwar nicht in ihren Grundfesten erschüttern wird, aber doch eine Meldung wert ist, ist das erste Toleranzedikt des preußischen Staates gegenüber den deutschen Quäkern. Es ist bislang weder in der Wissenschaft noch in Quäkerkreisen bekannt, und ich habe es eigentlich per Zufall vor einigen Jahren im Geheimen Preußischen Staatsarchiv (Berlin) entdeckt.
Ich gebe hier zum ersten Mal den gesamten Text wieder. Die Situation war, kurz gesagt, Folgende:

20111204

"Zehn kleine Quäkerlein": jetzt wird gesungen

Neu erschienen ist jetzt also ein Liedbuch der DJV. Was (vor allem jüngere Quäker) nicht wissen: es ist nicht das erste Liedbuch der deutschen Quäker. Schon 1935 erschien ein gleichnamiges Buch "Lieder der Freunde", dessen Entstehungshintergrund nicht uninteressant ist, auf den ich hier aber nicht eingehen kann.

Der Kola ist skeptisch: muss das sein?

Das neue Buch von 2011 hat also ebenfalls den Titel "Lieder der Freunde". Ein Vorwort fehlt leider, und auf der Homepage der DJV (http://www.rgdf.de) wurde über das neue Buch mit keinem Wort berichtet. Es wäre doch angemessen, dort über diese Neuerscheinung einmal zu informieren. Nicht einmal bei der Kategorie "Literatur" wird es zum Verkauf angeboten, dagegen immer noch "Vom Sinn und Endzweck des Lebens" aus dem Jahre 1947!

Fricke raus, Tempel rein: Anmerkungen zur Wikipedia

Ich bekenne es freimütig: ich nutze Wikipedia täglich, an manchen Tagen mit bis zu hundert Anfragen. Zwar habe ich mich bis auf wenige Ausnahmen an der Artikelerstellung nicht beteiligt, ich freue mich aber, wenn andere dort neue Informationen über das Quäkertum einbringen. Insofern ist der Eintrag zu Konrad Tempel und Helga Tempel eine Meldung wert:

und

und ein echter Gewinn. Es bleibt zu hoffen...,

20111202

...und immer wieder Quäkersuppe

Die Quäkerspeisung führt alljährlich zu Neuerscheinungen. Nicht immer wird wirklich Neues geboten, meist sind es "aufgewärmte Suppen". So auch ein Mini-Beitrag im Heft drei des sechsten Bandes der Zeitschrift "Historikus Vogtland: Geschichtsmagazin" (2011, S. 22-23).

Online ist der Beitrag nicht, aber man kann sich das Heft hier bestellen:

Quäker und Juden im Dritten Reich

Alan Nothnagle, Dolmetscher, Journalist und Buchautor, hat meinen Beitrag zu Quäker und Juden im Dritten Reich hier ausführlicher besprochen (v.a. in dem Abschnitt "we belong to the Fatherland"):

http://open.salon.com/blog/lost_in_berlin/2011/06/01/germanys_free_churches_versus_the_jews

Viele deutsche Quäker haben in diesen Jahren vorbildlich gehandelt:

Quäker und Mennoniten: MennLex



Vor einigen Jahren wurde ich vom Mennonitischen Geschichtsverein gebeten, mich an dem neuen Mennoniten-Lexikon zu beteiligen. Ich habe mich gerne für drei Beiträge bereit erklärt, nämlich


Da solche Arbeiten unbezahlt...

20111129

"Geduld ist uns von Nöthen"

Für das Projekt "Unser Buch" der DJV werden Sprüche deutscher Quäker gesammelt (http://unserbuch.wikispaces.com), die vor allem in die Gemeinschaft hineinwirken soll und etwas ähnliches wie "Quaker Faith and Practice" zu werden verspricht. Ich bin zwar zu Beginn des Projektes um meine Mitarbeit gebeten worden, kann aber aus beruflichen Gründen nur hin und wieder kleinere Beiträge leisten.
Gelegentlich stoße ich nun im Zusammenhang mit meinen Quäkerforschungen auf bemerkenswerte Sprüche bzw. Textpassagen. Ein äußerst seltenes Dokument habe ich in den letzten Tagen bearbeitet. Es handelt sich um einen Sterbebericht des Quäkers Friedrich Schmidt (1755-1827) aus Minden (bislang unveröffentlicht). Auf seinem Bett lässt er am letzten Lebenstag sein bisheriges Leben an sich vorbeiziehen: Erfolge, Misserfolge, Erfahrungen und religiöse Einsichten. Der für die Geschichte des deutschen Quäkertums äußerst wertvolle Bericht wurde von Christian Schelp (1793-1873) verfasst, dem Lehrer der damaligen Quäker. Man darf die Worte für authentisch halten, sie wurden noch während des langsamen Sprechens des Sterbenden handschriftlich notiert. Die letzten Worte Schmidts am 28. Januar 1827 waren: „Geduld ist uns von Nöthen“.

Als Quäker in der Sangha: Thich Nhât Hanh-Gruppen

Viele Quäker haben an ihrem Wohnort keine Möglichkeit, regelmäßig eine Andacht zu besuchen, und meist fehlt Zeit und Mut, selbst eine zu gründen. „Alleinlebende Freunde“ werden sie genannt. Sogar in Metropolen wie Dortmund, Leipzig oder Frankfurt treffen sich Quäker nicht wöchentlich, sondern, wenn überhaupt einmal, in viel größeren Abständen. Das war nicht immer so, doch momentan ist anscheinend Berlin die letzte Gruppe, die einen wöchentlichen Andachtsbesuch gewährleistet, zu 70 Prozent Dank einer älteren und erfahrenen Quäkerin.
Für diejenigen, die vor der Haustür keine Gruppe haben oder ihre örtliche Gruppe nicht mehr besuchen möchten, gibt es eine bemerkenswerte Alternative: die Thich Nhât Hanh-Gruppen.










20111127

John Bright 200 Jahre alt - und hier ist die neue Biographie

Wie zu erwarten, ist also doch noch in diesem Jahr das opus magnum zu Bright geschrieben worden:

Quäker-Ausgabe 3/4 2011



Nun also ist der „Quäker“ als Juli-August-September-Oktober-Sammelnummer erschienen. Man findet darin folgende Beiträge:
  • Brenda Bailey über ein Kinder- und Jugendtreffen 1935
  • Lutz Caspers zum Namen „Religiöse Gesellschaft der Freunde“
  • Markus Höning zur Bergpredigt
  • Konrad Tempel über Trost
  • Karin Klinghammer mit einem Bericht über Church and Peace
  • Esther Köhring über das Jahrestreffen EMES/EMEYF
  • Martin Januschek über Fukushima
  • Margot Käßmann zum Ende der Wehrpflicht
  • Lutz Buchmann über den 33. Evangelischen Kirchentag in Dresden
  • Kerstin Mangels über Taizé
  • und Maurice de Coulon über seinen Urlaub in Haiti
Ich möchte auf die unterschiedlichen Texte hier nicht eingehen. Nur eines ist mir aufgefallen, dass die Themen, die die Quäker derzeit in Gesprächen bewegen, in den Beiträgen gar nicht angesprochen sind, nicht einmal erwähnt werden. Zum einen ist dies die Auflösung der Quäkergruppe Wien mit der Frage, was jetzt aus dem faktisch nicht mehr existierendem „Bezirk Österreich“ wird, und zum anderen der Ausschluss von Olaf Radicke von allen Geschäftsversammlungen und Andachten (anscheinend lokal auf München begrenzt, aber ganz klar ist mir das nicht). Die Auflösung eines Bezirkes und der Ausschluss eines Besuchers zu Andachten sind, soweit ich das als Historiker beurteilen kann, in der DJV Präzedenzfälle. Hierüber sollte gesprochen, nicht geschwiegen werden.

Ich habe in den letzten Jahren viel im "Quäker" geschrieben und sozusagen mein Scherflein beigetragen. Jetzt hoffe ich, dass einmal andere diese wichtigen Fragen behandeln. Der „Quäker“ wäre das geeignete Medium, darüber einen sachlichen und informativen Austausch zu führen. 

20111126

Quäker-Outreach anno dazumal

Um 2005 wurden Briefköpfe, Webpage und die Quäkerzeitschrift der DJV mit dem dynamischen "Q" versehen, womit man wohl eine zumindest äußerliche corporate identity schaffen wollte, obwohl an anderer Stelle häufig gerade die Vielfalt der Quäker betont wird. Die Idee ist nicht neu. In meinem Archiv habe ich ein längst vergessenes Logo aus dem Jahre 1923 gefunden:


















Damals mied man noch den Begriff "Quäker", sondern verstand sich zuallererst als Gesellschaft der Freunde. Dafür stehen die Buchstaben R, G und F. Es könnte auch stehen für "Religionsgruppe des George Fox".  Bemerkenswert finde ich den Lorbeerzweig. Er ist zwar auch ein Friedenssymbol, steht aber in erster Linie für Sieg und Ruhm. Was hat man sich dabei 1923 gedacht? Wie auch immer, dieses Symbol wurde einige Jahre vom Quäkerverlag, den der erste Schreiber Heinrich Becker führte, verwendet. Von der 1925 gegründeten DJV wurde es nicht übernommen und geriet schnell in Vergessenheit.

Billig und lesenswert




Die „Deutsche Quäkerbibliographie“ ist nun in einer zweiten Auflage erschienen und wird derzeit ausgeliefert. Im Unterschied zur Erstauflage wurde Entscheidendes verbessert:
-Literatur kann nun durch ein umfangreiches Personen- und Schlagwortregister gefunden werden. (Man findet Texte zu so speziellen Begriffen wie Sexualerziehung, Stuttgarter Erklärung, Indochinakrieg oder Quäkerpulver).
-Vorangestellt wurde eine dreißigseitige Einführung (Forschungs- und Literaturbericht), der vor allem die Neuerscheinungen der letzten 20 Jahre ausführlich vorstellt und einordnet.

Auf folgende Bereiche wird näher eingegangen:
  • Pietismus
  • Quäkertum im 18. Jahrhundert
  • Zeit des Nationalsozialismus
  • Zeit nach 1945
  • Quäker in der DDR
  • Religiöser Sozialismus
  • Quäkerspeisung
  • Friedensarbeit
  • Publikationen der Deutschen Jahresversammlung
  • Sonderfälle
  • Lexikalische Beiträge
  • ...und was es sonst noch gab.
Ergänzt wurde die Neuauflage um gut 150 Neuerscheinungen, vor allem seltene Aufsätze und sogenannte „graue Literatur“, die man z.T. weder online noch in Bibliotheken finden kann.
Hier die bibliographischen Angaben:
Claus Bernet: Deutsche Quäkerbibliographie. Zweite, erweiterte Auflage mit Autoren- und Sachregister, Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2011, ISBN 978-3-88309-648-3.
Preis incl. MwSt: 20,- Euro.

...und hier eine kleine Leseprobe, Seite 8ff:

Neuerscheinung: Quäkertum und Judentum, 1933-1945

Über diese Veröffentlichung freue ich mich ganz besonders, da ich viel Arbeit (und Kosten) in diesen Text zu Quäkern und Juden in den Jahren 1933 bis 1945 investiert habe. Mehrmals war es notwendig geworden, Details im Londoner Quäkerarchiv vor Ort zu klären. Die Vorarbeiten gehen bis auf das Jahr 2004 zurück, und durch verschiedene Umstände und Schwierigkeiten konnte der Band erst jetzt endlich gedruckt werden:

„Ja-sagen zum Judentum“ – Die Quäker und ihr Verhalten gegenüber den Juden in Deutschland von 1933 bis 1945, in: Daniel Heinz (Hrsg.): Freikirchen und Juden im „Dritten Reich“. Instrumentalisierte Heilsgeschichte, antisemitische Vorurteile und verdrängte Schuld, Göttingen 2011, S. 34-65 (Kirche – Konfession – Religion, 54).

343 Seiten, gebunden, € 49,90 D / € 51,30 A / SFr 69,90 ISBN 978-3-89971-690-0

Neuerscheinung: Markus Schwaner, ein Freund und Mitarbeiter von George Fox

Zum meinem eigenen Erstaunen war Markus Schwaner selbst eingefleischten Quäker-Kennern der DJV bislang nicht bekannt. Um ein Haar wäre er der erste und letzte Quäker-Märtyrer Deutschlands geworden, als die Lutheraner ihm im Gefängnis zu Zittau mit dem Schwert drohten. Sein abscheuliches Verbrechen: er wollte an das Innere Licht glauben, ein friedliches Leben führen und sich nicht länger von Pastoren beschwätzen lassen. Die Folgen: Er musste auswandern, ohne irgendetwas mitnehmen zu dürfen. Deutschen Boden hat er nie wieder betreten. Aber seine Auswanderung war ein Glücksfall; er befreundete sich mit William Penn und George Fox. Da diese beiden kaum deutsch sprachen, wurde Schwaner, der sich jetzt „Marc Swanner“ nannte, zur linken Hand dieser beiden Ur-Quäker. Quasi deren gesamte Korrespondenz von und nach Deutschland wurde von Schwaner/Swanner übersetzt und auch bearbeitet. Und wer weiß schon, dass an dem Tagebuch, dem berühmten „Journal“, ein deutscher Quäker maßgeblich mitgewirkt hat?

Hier mehr dazu: „Ich erkenne nicht, daß ich verführet bin“ Die Inquisition des Zittauers Markus Schwaner 1676, in: Neues Lausitzisches Magazin. Zeitschrift der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften e.V., N.F., 13, 2010, S. 71-86.
ISBN: 978-3-938583-48-7, 13 Euro.

Es gibt davon auch eine englische Fassung, unter dem Titel:
Marc Swanner (1639-1713): The man behind Fox and Penn, in: Quaker History. The Bulletin of Friends Historical Association, 99, 2, 2010, S. 20-36.

Wie in Berlin eine „Quäkerstraße“ zu finden ist, so gibt es in Zittau nun Überlegungen, eine Straße nach Markus Schwaner zu benennen.

Neuerscheinung: Quäker in Minden (2)


Johann Rasche, einer der bedeutendsten Quäker Mindens.
(Mein Dank geht an Ul. Schäfer für diese bislang unbekannte Aufnahme)

Neu erschienen ist ein Aufsatz zur Geschichte der Quäker in Minden und dem Umland, also auch Eidinghausen, Hille, Werste und Volmerdingsen bei Bad Oeynhausen. Zunächst die Titelinformation: Die Geschichte der Quäkergemeinde Minden, Teil 1: Von ihrer Gründung 1796 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Westfälische Forschungen, 60, 2010, S. 503-527 (ISBN: 978-3-402-15393-2)

Inhaltlich geht es am Beginn um die Gründung im 18. Jahrhundert, dann folgen verschiedene Krisen während der Koalitionskriege bzw. Freiheitskriege. Ein Höhepunkt ist hier die Pietistin Charlotte van Laer aus Bielefeld, deren Kredit die Quäkergemeinde rettete, der aber unglücklicherweise nie zurückgezahlt werden konnte. Darauf erfolgte eine völlige Neustrukturierung durch den Amerikaner Stephen Grellet, einem echten Abenteurer: 1789 kämpfte während der Französischen Revolution auf Seiten des Ancien Régime, wurde aber gefangen genommen. Nach einer qualvollen Kriegsgefangenschaft und noch vor seiner bereits verkündeten Verurteilung zum Tode entkam er unter unglaublichen Umständen nach Amsterdam. Nach einem Refugium im südamerikanischen Demerara (British Guyana) ließ er sich in New York nieder, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Um die englische Sprache zu lernen, übersetzte er als Autodidakt die Schrift „No Cross, no Crown“ von William Penn. In Long Island hörte er dann erstmals Quäkerpredigten und wurde schließlich 1796 Mitglied.
Ich gehe dann auf die Organisationsstruktur der Mindener Quäker ein (vielleicht weniger interessant), dann auf ihren kleinen Friedhof (schon interessanter) und auf ihre öffentlichen Aktionen, Publikationen und Missionsversuche (vielleicht am Interessantesten). Vor allem die angloamerikanischen Beziehungen stehen hier im Vordergrund.

Im zweiten Teil (erscheint 2012) soll dann die Geschichte der Gemeinde von etwa 1850 bis zu ihrer Selbstauflösung um 1900 folgen.

Clara Elisabeth Winter: Romanschriftstellerin und Quäkerin


 Clara Winter, Quäkerin und Schriftstellerin

Clara Elisabeth Winter - sie lebte von 1894 bis 1965 - war eine Romanschriftstellerin, deren Biographie ich in den letzten Jahren aufgearbeitet habe. Nachlesen kann man ihr bewegtes Leben jetzt im Band 21 der „Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen“ (2010).
Clara Elisabeth Winter war zu einer Zeit schriftstellerisch tätig, als dies für Frauen noch keine Selbstverständlichkeit war. Von ihren wenigen Kolleginnen unterscheidet sie, dass sie eine recht große Familie hatte und sich auch bei den Quäkern engagierte, was zusätzlich Zeit (und Nerven) kostete. Nun gab es in Bad Oeynhausen einige weitere Schriftsteller, wie Hanns Caspar von Zobeltitz (1853-1918), Kurt Lütgen (1911-1992), Marie Charlotte Siedentopf (1879-1968) und Elsbeth Montzheimer (1858-1926). Clara Elisabeth Winter ist aber bis heute die einzige im Kreise dieser Literaten, die in Bad Oeynhausen geboren wurde. Es ist an der Zeit, diese für Bad Oeynhausen bedeutende Persönlichkeit in angemessener Art und Weise zu würdigen. Ebenso interessant, wenn nicht sogar spannender, fand ich das Lebensschicksal ihres Mannes, Heinz Winter: Lehrer, Sozialdemokrat und Quäker. Im Dritten Reich hatte er schwer zu kämpfen, schließlich setzte die NSDAP Gauleitung Westfalen-Süd erfolgreich die Versetzung Winters durch, über den sie 1935 schrieb: „Er (Winter) fällt in Gevelsberg durch seine sonderbare Kleidung nach Wandervogelart auf. Bezeichnend für seine Einstellung ist, daß seine Frau und er Einkäufe in jüdischen Geschäften tätigen“. Über Heinz Winter stille Hilfe für Juden und seinen mutigen Einsatz gegen ein unmenschliches System konnte ich einiges herausfinden; mehr, als möglich war, in den vorliegenden Aufsatz aufzunehmen. Irgendwann einmal soll eine eigene Arbeit zu Heinz Winter nachfolgen.
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Historische Arbeiten wie diese sind nie das Werk eines einzelnen. Ohne die engagierte Mithilfe von Gisela von Dobbeler, geb. Winter, wäre die kleine biographische Würdigung kaum zustande gekommen. Ihr sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Dank geht ebenfalls an Herrn Detlef Raufelder vom Stadtarchiv Gevelsberg, an Frau Astrid Thies vom evangelischen Pfarramt Hahnenklee, an Frau Cesare Borgia vom Stadtarchiv Solingen und an Herrn Robert Gahde vom Staats- und Personenstandsarchiv Detmold. Sehr gerne bedanke ich mich auch bei Herrn Rico Quaschny, der engagiert und kenntnisreich in vielerlei Detailfragen helfen konnte.

Die Quäker in Berlin: Höhepunkte und Tiefpunkte



Die Erforschung des deutschen Quäkertums hat, nach ersten wissenschaftlichen Publikationen in den 1920er Jahren, seit etwa dem Jahre 2000 eine erstaunliche und recht fruchtbare Renaissance erfahren. Bislang lag der Schwerpunkt der Forschung aber ganz auf dem 17. Jahrhundert und auf den Städten mit größeren Quäkergemeinden, wie Friedrichstadt, Emden oder Danzig. Wenig ist dagegen bislang über die Quäker und ihr Handeln in Berlin bekannt – immerhin gibt es dort eine dreihundert Jahre zurückreichende Geschichte.

Wiederholt kamen Reisende aus England oder den USA in die preußische Residenzstadt, um zu missionieren, später, um für soziale wie philanthropische Anliegen zu werben. Insbesondere wurden dabei Mitglieder des Königshofes regelmäßig aufgesucht. In den 1920 Jahren konstituierte sich sogar eine Berliner Monatsversammlung der Quäker, die das Dritte Reich und die DDR überdauerte. Diese Geschichte kann sich selbstverständlich nicht mit derjenigen der großen Konfessionen messen. Sie zeigt aber, dass Berlin als ideengeschichtliches Zentrum der Aufklärung und als Ort gelebter Toleranz auf religiösem Gebiet eine Vielfalt hat entstehen lassen, an der auch Quäker nicht unbeteiligt waren. Es gibt Interessantes zu entdecken, Gutes wie Schlechtes.
Die Geschichte der Berliner Quäker kann in folgendem Beitrag nachgelesen werden: „300 Jahre angloamerikanische Beziehungen in Berlin: Die Quäkerpräsenz vom 17. Jahrhundert bis heute, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte (2009, ISBN 978-3-88981-257-5).
Die Themen sind:
  • Erste Missionsreise 1796.
  • Gefängnisarbeit in Spandau.
  • Elisabeth Fry am preußischen Königshof.
  • Quäkerspeisung in Berlin nach 1918 - die Berliner Quäker in der DDR.
  • Die Entwicklungen in der Planckstraße nach 1989


Erziehung zum Quäker: Quäkererziehung












Wiedings, Tempels, Casper – die Liste der Quäkerlehrer ist lang. Weshalb so viele Mitglieder der DJV als Lehrer arbeiten, ist kein Zufall. Ob aber Lehrer bevorzugt zum Quäkertum kommen, oder ob das Quäkertum die Lehrer und Lehrerinnen hervorbringt, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. „Quakeriana Paedagogica“ (Teil 1 und 2) berichtet von den Erfolgen und Misserfolgen der deutschen Quäkerpädagogik.
doch...

Stuttgarter Quäker im Licht der Wissenschaft

Wer über die Anfänge des Quäkertums in Süddeutschland, vor allem in Stuttgart, etwas wissen möchte, dem kann jetzt empfohlen werden:

Claus Bernet: Die Deutsche Jahresversammlung in Stuttgart: Ein Gründungsversuch aus der Anfangszeit der deutschen Quäker um 1920, in: Blätter für Württembergische Kirchengeschichte, 107, 2007, S. 239-250.
ISSN 0341-9479.

Kurz gesagt geht es darin um Folgendes:
-Quäkertum in Deutschland nach 1918.
-„Der Freund“: die erste deutsche Quäkerzeitschrift.
-Theologie und Lebenspraxis, vor allem Antialkoholismus und Vegetarismus.
-Beziehungen zu Wüstenrot bei Heilbronn am Neckar.

Quäkertum im Dritten Reich: die „Vertreibung des Sozialen"

In diesen Tagen erscheint der Sammelband „Vertreibung des Sozialen“, der auch etwas mehr Licht in die Quäkergeschichte zwischen 1933 und 1945 bringt. Gleich zwei Beiträge beschäftigen sich mit Quäkern, besonders zu Magda Kelber, Elisabeth Rotten und Hertha Kraus.

Der Kola meint: spannend geschrieben.

Die relevanten Beiträge sind:
Ursula Langkau-Alex: Hertha Kraus, die Flüchtlingshilfe der Quäker und die Perzeption von Verfolgten/Geretteten, in: Die Vertreibung des Sozialen, hrsg. von Adriane Feustel, Inge Hansen-Schaberg, Gabriele Knapp, München 2009, S. 115-129 (Frauen und Exil, 2).

und:

Bernet, Claus: Elisabeth Rotten, Hertha Kraus und Magda Kelber: Angloamerikanische Ansätze in der intervenierenden Pädagogik 1933-1949, in: Die Vertreibung des Sozialen, hrsg. von Adriane Feustel, Inge Hansen-Schaberg, Gabriele Knapp, München 2009, S. 93-114 (Frauen und Exil, 2).

Unter anderem findet man:
-detaillierte Berufs- und Beschäftigungsstatistiken zur DJV 1925-1933
-Informationen zur Hilfe für Juden
-Ansätze zu einer Quäkerpädagogik

ISBN 987-3-86916-031-3
edition text + kritik im Richard Booberg Verlag, München 2009
238 Seiten, Preis: 23,-Euro

Das Buch wird von den Herausgeberinnen wie folgt vorgestellt:

Die Sammelbände der Arbeitsgemeinschaft »Frauen im Exil« dokumentieren den Stand der Forschung und die neuesten Ergebnisse zur Verfolgung und zum Exil von Frauen während der NS-Zeit. Das Erkenntnisinteresse gilt allen Frauen, die wegen ihrer Ethnizität, ihrer politischen Überzeugung, ihrer Religion, ihrer künstlerischen Expressivität, ihres Lebensstils oder ihrer Sexualität der NS-Willkür ausgesetzt waren, die sich aktiv gegen das NS-Regime wandten oder sich aus Gründen der grundsätzlichen Gegnerschaft für das Exil entschieden.
Der vorliegende Band befasst sich mit der Thematik der »Vertreibung des Sozialen«.
Der Schwerpunkt liegt zum einen auf den Konzepten und Projekten, die (oftmals jüdische) Frauen, z. B. Alice Salomon und Siddy Wronsky, im Bereich der Pädagogik/
Psychologie und der Sozialen Arbeit bis 1933 entwickelt haben und die sie als professionelle Tätigkeitsbereiche zugleich neu schufen. Untersucht werden insbesondere die häufig noch bis heute andauernden Folgen der Vertreibung der Protagonistinnen und ihrer innovativen Ansätze und des Abbruchs des wissenschaftlichen Diskurses. Zum anderen geht es um die Bewahrung des Sozialen in Hilfsorganisationen der Verfolgten, um die Selbsthilfe im Jüdischen Kulturbund, im Kinderheim »Ahawa« und bei der Kinderauswanderung sowie um die Hilfstätigkeit der Quäkerinnen am Beispiel von Elisabeth Rotten, Hertha Kraus und Magda Kelber.

Rufus Jones: Der Quäker, der mit Hitler sprechen wollte



Rufus Jones rettete nach dem Ersten Weltkrieg durch die „Quäkerspeisung“ Millionen vor dem Verhungern. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die amerikanischen Quäker 1947 den Friedensnobelpreis erhielten. In Deutschland ist er auch dafür bekannt, da er 1938 in Berlin versuchte, mit Hitler ein persönliches Gespräch zu führen.

Rufus Jones war der klassische „American Scholar“: Theorie und Praxis wurden in Einklang gebracht. Rufus Jones prägte das 20. Jahrhundert: er korrespondierte mit zahlreichen Schriftstellern und Politikern aus der ganzen Welt. Bekannt wurde er als moderner Mystiker, als aktiver Pazifist und moralisches Gewissen seiner Epoche. Seine Forschungsgebiete waren Erziehung und Pädagogik, philosophische Fragen, Kirchen- und Quäkergeschichte sowie politische Zeitfragen. Sein Denken ist auch heute noch aktuell und wird kontrovers diskutiert. Insbesondere richtete sich Jones gegen die Aufzucht einer „Elite“, sondern plädierte für individuelles Wachstum und Persönlichkeitsbildung.

Im Laufe seines Lebens erhielt er zwölf akademische Titel, er lehrte an zahlreichen Universitäten, gab Vorträge und war einer der ersten, der die Bedeutung des Rundfunks als Massenmedium erkannt und nutzte. Bis heute wird Rufus Jones verehrt, man nannte ihn „Seer“, „Protestant Mystic“, sogar „Master Quaker“ oder „Quaker Giant“. Es ist an der Zeit, diese faszinierende Persönlichkeit neu zu entdecken:

Claus Bernet: Rufus Jones (1863-1948). American Scholar, Writer, and Social Activist. Life and Bibliography. With a Foreword by Douglas Gwyn, New York 2009.
ISBN: 978-3-631-58930-4, Preis: 19.80 Euro



Kunst, Religion und Quäkertum


Quäker und Kunst – geht das überhaupt? Viele Jahre, ja Jahrhunderte, war Quäkertum und Kunst ein Widerspruch. Das Thema war und ist mit vielerlei Urteilen, Vorurteilen und emotionalen Vorbehalten bedacht. Fragt man jedoch heutige europäische Quäker nach ihrer Einstellung zur Kunst, erhält man durchweg positive Antworten. Die Augen leuchten, die Kunstbegeisterung nimmt den Quäker gefangen. Ausstellungen werden besucht, teuere Kunstbände ins Bücherregal gestellt, oder man wird gleich selbst zum Künstler. Es ist eine erstaunliche Bandbreite von kreativen Fähigkeiten vorzufinden: viele spielen und unterrichten Musikinstrumente, es werden Haushaltsware und Kunstgegenstände getöpfert, Kunstkurse an Volkshochschulen besucht oder sogar geleitet, und außerdem wird viel geschrieben, von Gedichten über Kinderbücher bis zu Krimis und Romanen. Fast jeder Quäker hat „seine“ kreative Beschäftigung; Kunst möchte fast niemand missen. Doch: Ist es nun tatsächlich so, dass durch oder gar in der Kunst eine göttliche Offenbarung erlebt wird?
(Überarbeitete Fassung von: Quäker und Kunst, in: Quäker. Zeitschrift der deutschen Freunde, LXXVIII, 5, 2004, 291-297 und LXXVIII, 6, 2004, 361-363).
Entspricht dies realen Erfahrung oder wird so geredet, weil es so erwartet wird? Werden die deutschen Quäker in ihren Andachten bald singen und musizieren, so wie es weltweit ohnehin längst die meisten Quäker tun? Oder wird man sich wieder grau kleiden, Rockkonzerte tunlichst meiden und Radio wie Fernsehen bei der GEZ abmelden? Oder sollen die Quäker den berühmten Mittelweg finden, also das machen, was die breite Mehrheit ohnehin macht, ohne aufzufallen oder anzuecken?
Diese Fragen kann nur jeder für sich selbst beantworten, sie hängen von vielen Einflüssen wie Erziehung, Lebensführung, Talent und anderem ab. Sie hängt jedoch auch von der Kenntnis der Vergangenheit der Quäkersozietät ab, die bezüglich der Kunst immer wieder zu erstaunlichen Wandlungen geführt hat und die es wert sind, sie etwas näher kennen zu lernen.

Die Bibel: Ein Kunstwerk ohne Kunst?
Ohne einen Blick in die Bibel bleiben viele Äußerungen und Handlungen der ersten Quäker recht unverständlich oder gar missverständlich. Daher soll zunächst die Bedeutung des Begriffes „Kunst“ in der Bibel geklärt werden, bevor wir uns dem eigentlichen Thema zuwenden. Im Alten Testament wird Kunst nüchtern als eine handwerkliche Fertigkeit verstanden. Zu den Künstlern werden Handwerker wie Schmiede, Töpfer, Kupfertreiber und andere gezählt, die in irgendeiner Weise Material verarbeiten oder veredeln. Der moderne Kunstbegriff - Kunst als „einzige Tätigkeitsform, durch die der Mensch als Mensch sich als wahres Individuum manifestieren kann“ (Marcel Duchamp, 1887-1968) - ist gänzlich unbekannt, die Medien, mit denen heute Kunst in Verbindung gebracht werden (z.B. Ölmalerei, Photographie, Stukkaturen) waren noch nicht einmal erfunden oder ließen sich in einer Nomadenkultur nicht ausüben, wie etwa Steinmetzarbeiten oder das Modellieren von Skulpturen. Der Handwerker als Person war unwichtig, er wurde zumeist nicht einmal genannt. Aus der Menge der beteiligten Künstler am Bau der Stiftshütte, dem ersten religiösen Kultbau, kennen wir nur einen Menschen mit Namen „Oholiab“, der zugleich Schmied, Schnitzer und Kunstweber gewesen war.
Allein beim Bau der Stiftshütte, dem Vorbild des späteren Salomonischen Tempels, kommt künstlerischer Tätigkeit eine hohe Bedeutung zu, doch wirkt der Künstler nicht durch eine geniale Konzeption oder durch intellektuelle Fähigkeiten, sondern seine Kunst kommt vom Herzen (2. Moses, XXXV, 35). Bis auf wenige unbedeutende Ausnahmen finden sich alle Stellen, die mit Kunst in Beziehung stehen, bei architektonischen Baubeschreibungen. Es handelte sich um eine Kunst, die vom Inneren des Menschen her kam und ausschließlich der Verherrlichung Gottes dienen sollte. Bemerkenswert ist, dass nicht die Herstellung von fertigen Waren, Werken oder Bauten im Vordergrund stand, sondern der Künstler Teile zu einem Ganzen zusammenfügte. Sein Beitrag ist nur aus dem Zusammenhang heraus zu verstehen, der mit vielen anderen Schaffenden gemeinsam geleistet wurde. Kunst war nicht die Leistung eines Individuums, sondern fand im sozialen Austausch statt - dahinter steht der zentrale Gedanke des israelischen Volkes als fest verbundene Gemeinschaft, die nur kollektiv überleben konnte.
Ein zweiter Kunstbegriff des Alten Testament kennt Kunst im Zusammenhang mit Zauberkunst oder dem, was wir als „Kunststück“, etwa im Zirkus oder bei Theatervorführungen, bezeichnen. Es handelte sich hierbei um Fertigkeiten, die den Ausübenden offenbar zu Kopfe gestiegen waren oder denen zumindest eine gewisse Anmaßung innewohnte: „Ich bin der Herr, der alles schafft, der den Himmel ausbreitet allein und die Erde festmacht ohne Gehilfen, der die Zeichen der Wahrsager zunichte macht und die Weissager zu Narren, der die Weisen zurücktreibt und ihre Kunst zur Torheit macht (...)“; Jes. XLIV, 25 (vgl. Jer. X, 14). An dieser wie an anderer Stelle wird nicht Kunst an sich verworfen, sondern zunächst ist der Mensch offensichtlich Opfer seiner eigenen Hybris (Apotheose = Übersteigerung, Hochmut). Doch auch hier ist nicht der heutige Kunstbegriff angesprochen, es sind weniger die kreativen Möglichkeiten, sondern geistige bzw. magische Fertigkeiten, deren Grenze aufgezeigt werden soll.
Musikbegegnet uns im Alten Testament zunächst im Buche Daniel, Kapitel III, interessanterweise in Verbindung mit einem Bildnis. Sobald Musik erklang, mussten sich alle Untertanen vor das Kultbild des Herrschers Nebukadnezar werfen und es anbeten. Die Musik diente hier, ebenso wie die Posaunen von Jericho, als ein Signal zum Handeln - sie hatte keinen Wert an sich und diente nicht der Erbauung oder Entspannung. Im Verhältnis zu der Bedeutung, die Musik im Alltag, bei Festen und im Krieg tatsächlich gespielt hat, wird von ihr im Alten Testament wenig berichtet. Zwar gibt es die Psalmen; doch ob man sich eine instrumentale Begleitung vorstellen darf, ist strittig, und der Harfenspieler David benutzte sein Instrument hauptsächlich, um die Depressionen des Königs Saul zu vertreiben, nicht, um als Künstler vor Publikum aufzuspielen.
Im Neuen Testament findet sich zum Thema Kunst noch weniger. Allein schon die Vorstellung, Jesus habe ein Instrument gespielt, erscheint vielen Theologen undenkbar. Die einzige Stelle, in der Kunst beiläufig erwähnt wird, ist merkwürdig genug: „Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht“ (Apostelgeschichte XVII, 29). Diese Worte soll Paulus zu antiken Philosophen und anderen Zuhörern in Athen gesprochen haben, als er den Monotheismus gegen die antiken Götter verteidigt, die für Paulus nichts anderes als Götzen darstellten. Zu Götzen konnte alles werden, vornehmlich, was schön, anregend und eben kunstvoll gestaltet war. Es wird davor gewarnt, göttliche Herkunft nicht mit den Dingen selbst zu verwechseln. Diese Stelle verweist auf den Unterschied von Schöpfer und Geschaffenem. Daraus kann man jedoch nicht ableiten, die Beschäftigung mit solchen Kunstgegenständen sei aufzugeben, denn wir sollen uns lediglich nicht einbilden, dass in den leblosen Gegenständen vorhanden sei, was göttlicher Natur ist. Dennoch ist die Aussage noch komplizierter, als es zunächst scheint: Es wird davon gesprochen, dass menschliche Kunst und Gedanken diese Bilder macht, was ist also gemeint? Bilder, die durch Gedanken gemacht sind - also „Gedankenbilder“? Oder geht es ganz allgemein um die Begrenztheit menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Wissens, was bereits das berühmte Höhlengleichnis des Plato zu vermitteln versuchte?
Insgesamt finden wir also im Alten Testament, im Neuen Testament und den Apokryphen nur Weniges zur Kunst, erst recht keine ausgefeilte Kunsttheorie. Bevor wir jetzt einen Blick auf die heutige Beziehung der Quäker zur Kunst werfen, soll etwas über die Kunsteinstellung der vorangegangenen Quäkergenerationen berichtet werden. Wie in vielen anderen Bereichen hat sich das Quäkertum auch hier in wesentlichen Punkten gewandelt. Dass dies nicht ohne Konflikte von statten ging, ist das Kennzeichen einer dynamischen Bewegung, die das Quäkertum von anderen kirchlichen Religionsgemeinschaften unterscheidet. Was die Quäker über Generationen hinweg, zum Teil trotz konträrer Ansichten, miteinander verbindet, ist die Ernsthaftigkeit und die quäkereigenen Methoden des Suchens, mit denen auch immer wieder die Einstellung zu Kunst neu überprüft wurde.

Woher stammt die Kunstfeindschaft der frühen Freunde?
Wie andere puritanisch beeinflusste Bewegungen (Ranters, Fifth-Monarchy-Men, Baptisten, Seekers, u.v.a.) waren die Quäker in Sorge, kostbare Zeit durch Ablenkungen, wie sie Musik, Schauspiel u.ä. boten, zu verlieren. Dies betraf sowohl die aktive Ausübung von Kunst als auch die passive Konsumption als Zuhörer oder Zuschauer als „Kunstgenuss“, und es wurde eifrig darum gestritten, was eigentlich verwerflicher wäre. Die Zeit sollte besser dazu verwendet werden, so oft und so lange wie nur möglich die Bibel zu lesen und nach ihr zu leben. Galt es doch, eine wichtige Mission zu erfüllen: Heaven on Earth, also die Vision eines irdischen Friedensreiches, sollte hergestellt werden, und zu dieser Aufgabe fühlten sich die Quäker berufen. Hinzu kam die Ablehnung eines Lebensstils, der nicht den gängigen Normen der zeitgenössischen Lebensführung entsprach. Dies waren Künstler, Theaterleute und Gaukler, die aufgrund ökonomischer Bedingungen, aber auch aus dem Bestreben, den eigenen Horizont zu erweitern, gezwungen waren, den Wohnort häufig zu wechseln oder ganz auf einen festen Wohnsitz zu verzichten, zu unregelmäßigen Zeiten zu arbeiten und mit einem unregelmäßigen Einkommen auszukommen. Dies war jedoch zweitrangig. Entscheidend war die Furcht vor einer Berufsausübung, die auf Imagination und Täuschung setzte, die ein Spiel mit der Wahrheit trieb, das in seiner Zweideutigkeit abgelehnt wurde. Hinter dem durch Kunst hervorgerufenen Schein glaubten die Quäker eine potentielle Lüge zu erblicken, und die Lüge war das Werk Satans, von dessen Existenz die überwiegende Mehrheit der Quäker felsenfest überzeugt war.
Besonders die Musik, die im Verdacht der Verführung oder gar der Zauberei stehen konnte, wurde von den ersten Quäkern mit Verachtung und Ablehnung bedacht. Instrumente oder Notenbücher wurden verbrannt und vergraben, damit sie keinen Schaden mehr anrichten konnten (1). Etwas bekannter ist der Fall eines Solomon Eccles, der zu den radikalsten Quäker aller Zeiten zählt. Von Beruf war er Musiker, er spielte begnadet Violine und Spinett. Um sich bei den Quäkern zu bewähren und seine Zugehörigkeit zu dokumentieren, gab er seinen Beruf auf und verbrannte öffentlich seine Instrumente samt Kompositionsskizzen auf dem Tower Hill zu London. Weitere Instrumente, die er selbst angefertigt und verkauft hatte, versuchte er von seinen Kunden zurückzukaufen. Er war der Meinung, dass sowohl das Seelenheil des Käufers als auch das des Verkäufers (also sein eigenes) bei dem Handel mit solchem Tand in großer Gefahr sei.
Ebenso radikal wurde die Malerei abgelehnt, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Dass von bedeutenden Quäkern wie George Fox, James Nayler oder Margaret Fell keine Abbildungen existieren, ist kein Zufall. Das Portraitieren der eigenen Person galt als Verherrlichung der „Kreatur“, als Anmaßung und Eitelkeit. Die älteste authentische Abbildung eines Quäkers ist die des Amsterdamers William Sewel, der für seine fundierte Quäkergeschichte bekannt ist. Er wurde 1705 von Guerard Rademaker (1672-1711) portraitiert. Das Original ging verlustig, doch zwei danach gefertigte Kupferstiche sind erhalten (Abb.1).


Abb.1: Der Quäkerhistoriker Sewel, Kupferstich des Jan Caspar Philipps aus dem Jahre 1733, nach einem verschollenen Gemälde des Künstlers Rademaker. Durch die geschickte Schattenführung hat das Original eine annähernd dreidimensionale Wirkung.





Mit der Malerei wurde auch Farbe, Ornament und Verzierung abgelehnt. Dies bezog sich auf fast alle Lebensbereiche. Schon zu George Fox’ Zeiten muss die Ablehnung farbiger Kleidung bei den Freunden recht verbreitet gewesen sein. Ansonsten wäre Margaret Fells Warnung, die Schönheit der Schöpfung nicht zu missachten, nicht notwendig gewesen. Sie schrieb 1700: „Man sagt, wir sollten nicht verschiedene Farben begehren, Farben, wie es sie auf den schönen Bergen gibt. Wir sollen alle gleich gekleidet sein. Das ist ein blödes, armseliges Evangelium. (...) Jesus Christus sagte, (...) wir sollten die Lilien betrachten, wie sie noch königlicher gewachsen wären als Salomo“ (2) (vgl. Matthäus VI, 28). Die Ansicht Fells konnte sich nicht durchsetzen, in den folgenden Quäkergenerationen wurde gerade das Grau, biblisch durch nichts gerechtfertigt, zum Markenzeichen vieler englischer und amerikanischer Quäker. Die Ablehnung von Farben bezog sich nicht allein auf die Kleidung, sondern zeigte sich bei so unterschiedlichen Gegenständen wie dem Mobiliar, der Anstrichfarbe von Wohn- und Versammlungsbauten oder den Einbänden von Büchern. Schließlich wurde die Farbbezeichnung quäker-grau in England so sprichwörtlich wie hierzulande russisch-grün. Nicht zuletzt wurde auch diesem Blog speziell eine Hintergrundfarbe gegeben, die an diesem Grauton angelehnt ist, was auch dem Wiedererkennungs-Effekt dienen soll.
In den Wohnungen der meisten Quäker fanden sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts nur selten Gemälde und noch seltener Porträts. Wenn Gemälde Bestandteil der häuslichen Einrichtung waren, handelte es sich lediglich um ländliche Darstellungen oder Stilleben (3). So lobte es auch Thomas Clarkson in „A Portraiture of Quakerism“. Seine mehrbändige Abhandlung ist die erste Quelle, wenn wir uns über den inneren Aufbau der Quäkergesellschaft im späten 18. Jahrhundert, gemeinhin als die Zeit des Quietismus charakterisiert, kundig machen wollen. Der Autor argumentiert, dass die meisten Quäker lediglich eine geringe, aber vollkommen ausreichende Bildung hätten. Dies sei der Grund für ein allgemeines Desinteresse gegenüber den Künsten im Allgemeinen und den Gemälden im Besonderen. Da ist es kaum verwunderlich, dass es unter den Quäkern zwar bedeutende Kaufleute, Botaniker und Pädagogen gab, dass es jedoch zu keinen großen Quäkerkünstlern kommen konnte (4). Es wäre ein „general rule“, so führt Clarkson weiter aus, keine Portraits von sich oder von seiner Familie zu besitzen. Und mit solchen Hinweisen auf „allgemeine Grundsätze“ gaben sich die meisten seiner Leser und Leserinnen seinerzeit zufrieden. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von diesem allgemeinen Grundsatz Abstand genommen, ausgehend von Anhängern des Elias Hicks innerhalb amerikanischer Quäkerversammlungen. Hier darf man jedoch keine Toleranz oder gar neue Kunstfreudigkeit vermuten: Für Hicks war die Frage der rechten Kleidung, des Theaters oder der Malerei derart äußerlich, dass man ihr gar keine Beachtung schenken sollte. Wer Kunst ablehnt, widmet ihr schon zu viel Aufmerksamkeit! Langfristig aber war mit dieser Einstellung der Einzug der Kunst in den Alltag der Quäker gesichert. Es sollte jedoch ein langer Weg werden, und insbesondere in England waren die Widerstände enorm. Möglicherweise war in Amerika die Öffnung gegenüber der Kunst in eine allgemeine Entwicklung vom einfachen Siedlerleben zu steigendem Wohlstand, vor allem an der Ostküste, eingebettet (5), wohingegen die Kunstfeindschaft in England, die von den Quäkern selbst schnell mit Schlichtheit oder Einfachheit verwechselt wurde, zum Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer städtischen Kultur wurde, wie sie in Zentren des Commonwealth wie London, Bristol oder Manchester anzutreffen war.
Im November 1848 berichtet die Zeitschrift „The Friend“ von einem interessanten Vorfall, der sich - was kein Zufall war - in Amerika ereignet haben soll (6): In hohem Alter konnte die als Quäkerin sonst tugendhafte Rachel Bartram nicht der Versuchung widerstehen, der Nachwelt nicht doch ein Portrait von sich zu überlassen. Sie beschloss, dem eitlen Verlangen nachzugeben und sich - mit schlechtem Gewissen - porträtieren zu lassen. Augenblicklich war die Seelenruhe verflogen, und unter inneren Konvulsionen verbrannte sie Rahmen und Leinwand. Nur dadurch habe sie ihren Frieden und ihre Lebensfreude wieder gefunden (7). Doch auch die britischen Quäker begannen schließlich, sich porträtieren zu lassen, was selbst in den angesehensten Quäkerfamilien geschehen konnte. Davon berichtet Elizabeth (Gurney) Fry. Anlässlich einer Sitzung ihres Vaters John Gurney bei dem Maler John Opie beklagte sie sich bitterlich über diesen „Sündenfall“. Elizabeth weigerte sich sogar, das Gemälde zu betrachten - zweifelsohne eine radikale Position, die dem häuslichen Frieden nicht gerade förderlich gewesen sein dürfte. In den späteren Jahren änderte sie jedoch ihre Ansichten und ließ sich von dem Maler Charles Robert Leslie (1794-1859) porträtieren. Vielleicht war diese Entscheidung durch eine frühe Begegnung mit der Kunst in ihren Jugendjahren mit beeinflusst worden. Damals verkehrte der Zeichenlehrer John Crome bei den Gurneys und erteilte Unterricht in Kunsttheorie und Zeichenkunde. Sein Unterricht wurde als so gewinnbringend betrachtet, dass er die Familie sogar auf Reisen begleitete. Neben der ablehnenden Haltung in Sachen Malerei gab es stets eine bejahendere Einstellung der Zeichnung gegenüber, allerdings unter zwei Prämissen: die Zeichnung musste in irgendeiner Form nützlich und sie durfte keinesfalls in der Wahl des Motivs anstößig sein. In der technischen Sachdarstellung sah man beides erfüllt. Früher als in öffentlichen Schulen begannen die Quäkerschulen etwa 1860 mit dem Zeichenunterricht. Dieser wurde innerhalb der Industrialisierung, als sich die Ingenieurskunst auf dem Höhepunkt befand, immer mehr als wichtige Fertigkeit und elementarer Bestandteil der Berufsvorbereitung betrachtet. Doch mehr noch als von der Massenproduktion der Hochindustrialisierung fühlten sich die englischen Quäker von deren Gegenbewegung, der Sozialreform angezogen. Hier gelang es ihnen erstmals, Anschluss an eine zeitgenössische Kunsttheorie zu finden. Besonders die Ideen des Londoner John Ruskin, der die Handwerklichkeit der Ausführung wertschätzte und den Verzicht auf eine überbordende Ornamentierung und das Streben nach einer Wahrhaftigkeit des Gegenstandes vertrat, fanden unter Quäkern wohlwollende Aufnahme. Hier sahen viele einen Weg eröffnet, Schlichtheit und Kunst zu vereinen und aus der Not eine Tugend zu machen. Sein mehrbändiges Werk „Modern Painters“ wurde von vielen Quäkern gelesen und war vermutlich die erste kunsttheoretische Schrift, die den Weg in einige Haushalte der Quäker fand.
Aus ähnlichen praktisch-anwendungsbezogenen Gründen wurde auch die Erfindung und Verbreitung der Photographie begrüßt. Photographie wurde jedoch erst spät als Kunst empfunden, sie hatte zunächst dokumentierenden Charakter. Die als naturhaft empfundene „authentische“ Abbildung der Photographie, die angeblich Imagination oder Wirklichkeitstäuschung nicht zulässt, sondern die „Dinge zeigt, wie sie eben sind“ erlaubte es zunächst einigen Quäkern, einen positiven Standpunkt diesem neuen Medium gegenüber einzunehmen. Dennoch dauerte es seine Zeit, bis die erste Photographie in „The Friend“ erscheinen konnte, zumal die ersten Abbildungen recht kostspielig waren. Zunächst erschienen erste Photographien in einzelnen Quäkermonographien, bis schließlich auch der „The Friend“ sein erstes Bild abdruckte - nicht ohne entschuldigende Erklärung. Am 8. Januar 1892 war es soweit, es erschien ein kurzer Beitrag „Quaker Pictures“ von Wilfried Whitten. Eine Seite zuvor ist ein schwarzweißes Gemälde von Henrietta Mary Ada Ward (1832-1924) zu sehen, auf dem Elizabeth Fry das berüchtigte Gefängnis zu Newgate besuchte (8). Offensichtlich wollte man bewusst mit der großformatigen Abbildung von Fry einen Schnitt ziehen: Seit der Wiedergabe dieses Bildnisses ist „The Friend“ in allen folgenden Ausgaben illustriert (9).


Deutsche Quäker und die Kunst
Wie sah und sieht es nun bei den Mitgliedern der Deutschen Jahresversammlung der Quäker aus? Über die Einstellung zur Kunst innerhalb der ersten Quäkergemeinden des 17. Jahrhunderts in Emden, Danzig, Altona, Krefeld, Kriegsheim und Friedrichstadt ist kaum etwas bekannt. Die Anhänger waren meist verarmte Handwerker, Tagelöhner oder Bauern, so dass es kaum Berührungspunkte mit Kunst gab, zumal nicht für die Generation unmittelbar nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg. Anders war die Situation in der Quäkerkolonie Friedensthal ab 1792. Die dortigen Separatisten versuchten nicht etwa, eine deutsche Form des Quäkertums zu entwerfen, sondern richteten sich strengstens nach den englischen oder amerikanischen Gemeinden. Dabei orientierten sie sich nach den Richtlinien, die sie Quäkertexten (hauptsächlich des 17. Jahrhunderts!) entnahmen und nach dem, was ihnen die Quäkermissionare auf den Besuchsreisen vorlebten und empfahlen. Diese Besucher und Besucherinnen waren jedoch nicht „durchschnittliche“ Quäker, sondern meist Prediger, die sich durch besondere Eifrigkeit und Moralität qualifiziert hatten. Im Ergebnis führte dies dazu, dass in der Theologie und in der Lebensführung die kleine deutsche Gemeinde strenger und abgeschlossener strukturiert war als ihre angloamerikanischen Vorbilder. Die Aufnahme als Mitglied konnte Jahre dauern, für den Gemeindeausschluss reichte ein geringes Vergehen. Hinzu kam, dass man in Deutschland von staatlicher und kirchlicher Seite kritisch beobachtet wurde und die Quäker somit bemüht waren, das Bild einer vorbildlichen Gemeinde abzugeben. Davon war nun auch die Kunst betroffen. Ein einziges Beispiel muss hier genügen: Ludwig Seebohm, der Gründer der Siedlung, betrieb gemeinsam mit Jacob Meyer, einem weiteren Quäker, eine Buchdruckerei. Alle in Friedensthal entstandenen Drucke stammten aus diesem Betrieb, zum großen Teil waren es Übersetzungswerke Seebohms. Dieses Unternehmen konnte besonders von den internationalen Kontakten profitieren, denn allein mit pädagogischen und moralischen Schriften hätte sich im Pyrmonter Umkreis kaum etwas verdienen lassen. Friedensthaler Druckerzeugnisse fanden den Weg über den Atlantik in hauptsächlich amerikanische Haushalte von Germantown, Philadelphia und Baltimore. Aus Gewissensgründen und aus Abneigung gegen Ornament, Mode und „Luxus“ wurden die Bucheinbände jedoch nicht mit den im Biedermeier beliebten Blumenmotiven bedruckt, sondern lediglich leicht marmoriert. Dies war dem Absatz wenig förderlich. Aus finanziellen Erwägungen wurde die Produktion schließlich um 1804 eingestellt, der Restbestand der Bücher wurde zu Missionszwecken unentgeltlich verteilt.
Gänzlich anders war die Situation 1925, als sich die Deutsche Jahresversammlung (DJV) konstituierte. Bereits unter den ersten Mitgliedern befanden sich Romanschriftsteller und Musiker, das Bildungsbürgertum dominierte. Besondere Vorbehalte gegenüber der Kunst scheint es nicht gegeben zu haben, zumindest sind sie nicht überliefert. Ganz im Gegenteil, schon in der deutschen Übersetzung des Werkes „Christliches Wirken in der Gesellschaft der Freunde“ wird Kunst begrüßt als eine Inspirationsquelle des Geistes Gottes. Die zentralen Aussagen lauten: „Der Künstler teilt die schöpferische Macht Gottes“ und „Wir fühlen, daß der schöpferische Künstler unmittelbar inspiriert ist, und daß jedes große Kunstwerk ein Weg ist, auf dem der göttliche Geist sich menschlich offenbart“ (10). Inspiration geschieht unerwartet, durch Wollen und Wünschen wird lediglich die Möglichkeit dazu geschaffen. Die Inspiration bleibt Geschenk und kann nicht erarbeitet werden. Wenn der Mensch geschaffen ist als ein Ebenbild des Schöpfers, dann ist seine schöpferische Fähigkeit Bestandteil seiner göttlichen Abkunft. Wenn das gesamte Leben als Sakrament verstanden werden soll, dann hat auch die künstlerische Ausdrucksform ihre Daseinsberechtigung allein in ihrer Existenz, nicht als Mittel zu anderen Zwecken - so könnte vielleicht eine heutige moderne quäkerische Position gegenüber Kunst in Worte gefasst werden. In den mutigen Aussagen aus dem Jahre 1925, den sich die DJV drei Jahre darauf zu eigen machte, führt die Kunst nicht lediglich zum Göttlichen, sondern die Kunst kommt aus dem Göttlichen.
Besondere Bedeutung wurde dieser Position nicht beigemessen. Die Quäker hatten ihren Frieden mit der Kunst gemacht, zu einer Kenntlichmachung nach Außen fehlte meist der Anlass. Nur ein einziges Mal traten die Quäker in Sachen Kunst an die deutsche Öffentlichkeit, als 1930 George Grosz wegen angeblicher Gotteslästerung (Strafgesetzbuch §166) des Bildes „Maul halten und weiter dienen = Der Christus mit der Gasmaske“ (Abb.2) angeklagt wurde (11). Die Quäker verneinten in ihrem Gutachten die Existenz einer klaren Grenze zwischen künstlerischer und religiöser Intuition und schätzten besonders die aufrührerische und bewegende Bildwirkung bei den Betrachtern, ohne sich auf eine für sie heikle Diskussion um künstlerische Qualität einzulassen (12). Kunst ist ein Mittel, Religion zum Ausdruck zu bringen: „Aus dem Bilde spricht die künstlerische Intuition einer tiefen religiösen Idee. Es ist ein Ecce homo, ein erschütternder Aufruf, Christus aus dem Gefängnis menschlicher Furchtbarkeit und Niedrigkeit zu befreien“ (13).



Abb.2: „Maul halten und weiter dienen“ - eine Abbildung zwischen Karikatur und memento mori. In einer Epoche, die den Soldaten als heroischen Kämpfer für Altar und Vaterland idealisierte, war eine derartige Darstellung eine pazifistische Provokation, die einen Sturm der öffentlichen Entrüstung hervorrief. George Grosz emigrierte 1933 in die USA.


Abschließend sollen einige Äußerungen zur Kunst aus deutschen Quäkerveröffentlichungen die unterschiedliche Bandbreite und Mannigfaltigkeit des Begriffes dokumentieren. Die Statements zur Kunst von Seiten deutscher Quäker sollen bewusst unkommentiert bleiben:
„Die Protestantische Kirche lehrt, daß Gott das Gute ist. Diese Beschränkung führt zu Irrtümern und Fehlern der Weltanschauung. Wir müssen Gott begreifen, soweit wir es als beschränkte sterbliche Wesen überhaupt vermögen, als gut, wahr und schön“ (1937) (14).
„Es ist wahrlich nicht gleichgültig, was da von den Wänden Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr auf uns herabsieht. Als Arzt kommt man in so viele Schlafzimmer. Mein Gott, was hängt da mitunter alles über dem Bett oder gegenüber dem Bett, worauf doch meist, ehe die Ampel erlischt, das traumbereite Auge fällt! Was kommt da hinüber und hinunter auf die versenkte Bühne, den plastischen Seelengrund! Und was nimmt dann vielleicht der letzte Blick des in diesem Bette Sterbende mit hinüber in den anderen Lebensrhythmus, die andere Bewußtseinsphase des Totaliter Aliter, welches wir Jenseits nennen!“ (1947) (15).
„Der getreue naive Realismus galt vielen Quäkern als ästhetische Richtlinie, deren Darstellung sei in der Ursprünglichkeit der Auffassung und in der unmittelbaren Empfindung den ‚Akademikern weit überlegen’ “(1952) (16).
„Wie oft bin ich an den schönsten Dingen vorbeigegangen, ohne sie zu sehen, bis ein anderer mich darauf hinwies“ (1954) (17).
„Die rechte Bedeutung erkennen wir nicht so, daß wir die Kunst als eine unverbindliche Form des Genusses pflegen, wie weithin die bürgerlich ‚gebildete’ Welt es praktizierte und noch praktiziert, sondern so, daß wir sie wieder verstehen als das Ringen, das aus suchenden Menschen gegenüber den Fragen, Nöten, Rätseln und Aufgaben ihrer Zeit aufstieg und hoffende Gestaltung fand“ (1959) (18).
„Leider verbietet der Zeitmangel, dieses wichtige Kapitel gebührend zu behandeln“ (1964) (19).
„Noch das größte Kunstwerk bleibt ein gewaltiger Torso, den wir erblicken, aufnehmend, nachschaffend tief in uns selbst zu vollenden haben“ (1972) (20).
„Alles, was uns über uns hinaus ins Göttliche führt“! (1979) (21).



Anmerkungen:
  • (1) P. Holtom: Kunst und Religion, II. In: Der Quäker, 1978, S. 46-50, hier S. 47-48.
  • (2) Unver. Epistel April 1700; I. Ross: Margaret Fell, London 1949, S. 380.
  • (3) J. Nicholson: Quakers and the Arts, London 1968, S. 31.
  • (4) Nicholson, Quakers, 1968, S. 55. Der Maler und Präsident der Königlichen Akademie der Künste, Benjamin West, war von Herkunft Quäker. Er konnte jedoch nicht Mitglied bleiben, da seine Lebensweise nicht den damaligen Quäkeransichten entsprach; vgl. J. Boorne: Benjamin West, in: Friends’ Quarterly Examiner, II, 1868, S. 204.
  • (5) Die zwei bekanntesten Quäkerkünstler stammen von der Ostküste: der Maler Edward Hicks (1780-1849) und der Dichter John Greenleaf Whittier (1807-1892).
  • (6) In jenen Jahren kann gelegentlich zwischen den Zeilen der englischen Quäkerpublikationen ein „echtes“ englisches Originalquäkertum gegenüber der verwirrenden Uneinigkeit amerikanischer Quäkerversammlungen herausgelesen werden. Insbesondere hatte sich „The Friend“ dem Kampf gegen Bilder verschrieben, mit dem Anspruch, für das gesamte Quäkertum zu sprechen; Argumente gegen Bilder: Friend, 1862, S. 16; 1847, S. 81 f., 128; 1848, S. 78.
  • (7) Nicholson, Quakers, 1968, S. 52.
  • (8) Die Angabe „From the Oil Painting by E. M. Ward“ in „The Friend“ von 1892 ist falsch; das Gemälde stammt nicht von Edward Matthew Ward.
  • (9) Die Monatszeitschrift der Quäker in Deutschland ist seit der Ausgabe vom April 1927 bebilderte, das erste Photo zeigt Valentin Bulgakov mit Leo Tolstoi.
  • (10) Christliches Leben / Christliches Wirken, Bad Pyrmont 1951, S. 226.
  • (11) Auf der Jahresversammlung 1931 rief der Leiter der Quäker, Hans Albrecht, ermutigt durch den Verlauf des Verfahrens, zu stärkerem öffentlichem Engagement der Freunde auf; siehe dazu M. Mills: German Quakers and the Trial of George Grosz, in: Friends Journal, XLIX, 4, 2003, S. 24-28.
  • (12) H. Albrecht: Ein Gutachten, in: Monatshefte der deutschen Freunde, 1931, S. 4-10.
  • (13) Als Meditation, in: Der Quäker, 1975, S. 47.
  • (14) M. Röhn, in: Der Quäker 1937, S. 166.
  • (15) O. Buchinger: Zur Hygiene des inneren Menschen, Bad Pyrmont 1947, S. 8.
  • (16) W. S. in: Der Quäker, 1952, S. 80.
  • (17) W. Harms, in: Der Quäker, 1954, S. 42.
  • (18) E. Fuchs: Lebenshaltung und Lebensverantwortung des Christen im Zeitalter des werdenden Sozialismus, Leipzig 1959, S. 238.
  • (19) W. Rieber, Richard L. Cary-Vorlesung 1964, S. 30.
  • (20) O. Czierski, Richard L. Cary Vorlesung 1972, S. 29.
  • (21) G. Schnetzer: Gegenwart Gottes in der Kunst, in: Der Quäker, 1979, S. 205-207. 


  

William Penns Deutschlandreise: Ein neuer Beitrag von Lore Blanke

William Penn hat nicht nur Bücher, Episteln und Briefe geschrieben, sondern auch kräftig missioniert. Das hat den Engländer bis nach Herford und Frankfurt gebracht. Das war 1677. Was er auf dieser Reise bei der Äbtissin Elisabeth erlebt hat, ist von der Wissenschaftlerin Lore Blanke jetzt lebendig beschrieben worden. Auf die Krone des Quäkertums hat Elisabeth allerdings verzichtet, da sie dieses Kreuz nicht tragen wollte. Beinahe aber wäre es zu einer deutschen Quäkerkolonie gekommen, immerhin, ...
Trotz einer Empfehlung von der Äbtissin Elisabeth wurde aber die geplante Kolonie nicht gegründet – warum es nicht dazu kam, ist leider bislang unbekannt. Bemerkenswert scheint mir an dem Aufsatz zu sein, dass eine Untersuchungskommission des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg empfohlen hatte, die Quäker von der Reformierten Kirche tolerieren zu lassen (S. 104). Das wäre eine Sensation gewesen und darüber hätte man als Leser gerne etwas mehr erfahren.
Blanke sieht in den Quäkern „Nonkonformisten“, was sie vermutlich auch wirklich waren. Sie zeigt, dass die Quäker überraschende Ähnlichkeiten mit ihren Gegnern hatten, den Puritanern. „Extrem utopische Züge“, schreibt sie, hätten die Quäker gehabt, was ja vielleicht nicht unbedingt gegen die Quäker sprechen muss. Blanke sieht übrigens den entscheidenden Unterschied zwischen den damaligen Kirchen und den neu aufgetauchten Quäkern in den vier Zeugnissen. Diese vier Zeugnisse würden letztlich den Gedanken der Reformation konsequent zu Ende denken (S. 100). Die Quäker also als die wahren Lutheraner?

Hier nochmals die vier Zeugnisse, die nicht mehr so bekannt sind, kurz zur Erinnerung (in der Fassung nach Blanke):
  • das Friedenszeugnis
  • das Zeugnis der Integrität
  • das Zeugnis der Einfachheit
  • und das Zeugnis der Gleichheit
Diese Zeugnisse haben in den älteren Publikationen bislang zu wenig Beachtung gefunden, und es ist dem Aufsatz zu verdanken, wieder einmal auf dieses wichtige Fundament hinzuweisen.
Wie auch bei anderen Abhandlungen über die Äbtissin führen deren Quäkerkontakte sofort aus den engen Herforder Verhältnissen direkt in die Weltgeschichte. Es geht nach London zu Prinz Rupprecht, ins schottische Ury oder gleich an die Ostküste der Neuen Welt. Diese internationalen Beziehungen und die Rolle der Äbtissin scheinen mir besonders gut aufgearbeitet worden zu sein, durchgängig anhand inzwischen fast vollständig publizierter Quelleneditionen – was aber auch zur Folge hat, dass der Ablauf der Ereignisse inzwischen als bekannt vorausgesetzt werden darf: seit gerade einmal 2003 sind nun nicht weniger als vier Arbeiten zu den Quäkerkontakten der Äbtissin vorgelegt worden. Kleine Kritik zum Schluss: unklar ist, weshalb Blanke die Gelehrsamkeit und den toleranten Humanismus der Prinzessin als „Legende“ hervorhebt (S. 117). Ihr eigener Text beweist das Gegenteil.

Lore Blanke: Elisabeth und die Quäker: Die Besuche führender Quäker in Herford in der Zeit kolonialer Expansion, in: Helge Bei der Wieden (Hrsg.): Elisabeth von der Pfalz. Äbtissin von Herford, 1618-1680. Eine Biographie in Einzeldarstellungen, Hannover 2008, 97-119 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen, 245/Herforder Forschungen, 23).

Inzwischen konnte mein eigener Beitrag zu den Quäkern Herfords erscheinen, der eigentlich eine Fortsetzung oder Ergänzung zu der Arbeit von Frau Blanke ist:

Quäkerpräsenz in Herford im 19. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford, 18, 2011, S. 50-71.