20120528

Quäkerin der Woche (21): Jemima Wilkinson

Jemima Wilkinson wurde als das achte von zwölf Kindern des Ehepaares Jeremiah (1707-1777) und Elizabeth Amey Wilkinson (geb. Whipple) nahe Martin’s Wade am 29. November 1752 im Township Cumberland, Rhode Island, geboren. Ihre Eltern waren Quäker, und alle Kinder waren mit der Geburt ebenfalls Quäker und wurden als „birthright Quaker“ bezeichnet. Unter ihren Vorfahren befand sich Lawrence Wilkinson, der Kolonisator von Rhode Island. Stephen Hopkins (1707-1785), der Unterzeichner der Declaration of Independence und Gouverneur von Rhode Island, war ihr Cousin.


Zunächst verbrachte Jemima Wilkinson in ihrer Jugend viel Zeit mit dem Lesen von Romanen und Gedichten. Auch liebte sie es, an gesellschaftlichen Veranstaltungen der Nachbarschaft teilzunehmen. Ein einschneidendes, tragisches Erlebnis war der frühe Tod ihrer Mutter um 1764. Sie fand Trost in pietistischen Schriften, den Werken der frühen Quäker und den Biographien religiöser Frauen. Da sie mit einem außergewöhnlichen Gedächtnis begabt war, lernte sie ganze Kapitel der King-James-Bibel auswendig. Weniger angetan war sie von den Quäkerversammlungen ihrer Gemeinde, die nicht das Geringste an Lebendigkeit ausstrahlten, sondern im Dogmatismus, in Äußerlichkeiten und im Quietismus erstarrt waren. In einer vergleichbaren Verfassung befanden sich die Führer der Anglikaner und Kongregationalisten, die mehr an Vernunft und Intellekt als an Emotion appellierten und die Bedürfnisse der Gläubigen nicht mehr trafen. Es war nur eine Frage der Zeit für eine kräftige Gegenbewegung, die schließlich auch alle der genannten Gemeinschaften ergriff. Wilkinson wurde eine begeisterte Hörerin des anglikanischen Reformpredigers George Whitefield (1714-1770). Sie trat der Bewegung „New Lights“ bei, einer der vielen Splittergruppierungen, die im Zuge des „Great Awakening“ auch in Cumberland spontan entstanden waren und ebenso schnell wieder verschwinden sollten. Von den Quäkern wurde sie im August 1776 wegen des Besuches von Andachten der „New Lights“­-Gemeinde ausgeschlossen, was sie sehr betrübte.

Quäkerhilfe in Freiburg

In Freiburg befand sich nach 1945 ein größeres Verteilungszentrum für ausländische Hilfsgüter, die von hier in der Nachkriegszeit an Bedürftige verteilt wurden. Im Februar 2012 wurde diesbezüglich eine Gedenktafel mit einem längeren Text aufgestellt, worüber die Stiftung "Quäker-Hilfe" kurz berichtet (leider ist der Text der Tafel nicht angeführt). Ärgerlicherweise wurde nun die Tafel viel zu niedrig aufgestellt, so dass Erwachsene sich umständlich bücken müssen, was nicht gerade zum Lesen einlädt. Vor der Tafel soll man sich doch nicht etwa verneigen?

Freiburg war einst einmal ein lebendiges Quäkerzentrum. Wer mehr darüber wissen möchte, kann zwischen zwei Texten wählen:

Eine eher schliche Bestandsaufnahme:
-Franz Flamm: Freiburger Erinnerungen an die amerikanischen Quäker 1920-1953, Freiburg 1990.

Oder einen subjektiven Erlebnisbericht mit Geschichten und allerlei Geschichtchen:
-Karl-Heinz Ulhaas: Mein Leben. Die ersten 75 Jahre. Ein Bericht. Für seine Familie und seine Freunde, Freiburg 2000.


20120520

Pfingsten 2012 steht vor der Tür

Nächsten Sonntag, 27. Mai 2012, ist es wieder einmal so weit: Pfingsten ante portas. Was haben Quäker zu diesem Tag, zu diesem Ereignis zu sagen? Hören wir Ruth E. von Gronow (1887-1972), die als Theologin in den 1950/60er Jahren Bibelkurse unter Quäkern gehalten hat und sich immer wieder mit christlichen „Kernthemen“ auseinandersetze. Von ihr, ebenso wie von Emil Fuchs, existiert eine gesamte Exegese des NT, die handschriftlich zirkulierte und bis heute nicht veröffentlicht wurde.

       (Source: wikimedia)
Dies ist keine Schneeballschlacht, sondern so stellte man sich Pfingsten vor: der Heilige Geist zeigt sich in den weißen Kugeln, die den Heiligen auf die Köpfe fallen (Klosterkirche Dillingen).

Pfingsten

Der erste Bericht in unserem Neuen Testament ‚nach Matthäus’ überschrieben, lässt eine Eigenart der Sprechweise in Jesu Umwelt deutlich erkennen. Es ist dort nicht erlaubt, den Namen Gottes anzusprechen oder auszuschreiben. So heißt es zum Beispiel: ‚Herrschaft der Himmel’ (auch ‚Himmelreich’ übersetzt), wo wir ‚Herrschaft Gottes’ erwarten würden.
Freunde aus dem In- und Ausland haben wiederholt auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, die der Ausdruck ‚Sohn Gottes’ im Hinblick auf Jesus bereitet. Würden wir einer Verständigung vielleicht näher kommen, wenn auch wir die Gepflogenheit aus Jesu Umwelt üben würden und den Namen Gottes gar nicht mehr aussprechen – sowohl im Hinblick auf Jesus wie auch sonst immer?
Wir Freunde wissen um den Wert des Schweigens. Sollten wir den Gebrauch des Wortes einschränken, auf begrifflich Fassbares, aber Schweigen bewahren bei darüber Hinausgehendem?
Alle von Jesus in Leben und Lehre überlieferten Unterweisungen zielen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Ob die Jüngerschaft sich bewährt am Verhalten gegenüber ‚dem Geringsten unter den Brüdern’ (Mt. 25, Vers 40); ob daran, wie ‚ihr euch untereinander liebt’ (Joh. 13, Vers 35); ob am Befolgen des Beispiels vom ‚Barmherzigen Samariter’: ‚So gehe hin und tue desgleichen’ (Lukas 10, Vers 37), dem stimmen die Freunde stets zu. Ein jedes dieser Beispiele ist voll verständlich, ohne dass eine Lehre über Gott herangezogen werden müsste. Jedes Mal geht es darum, zwischenmenschliche Beziehungen herauszulösen aus Schranken kultischer, ständischer, wirtschaftlicher Art, die Feindschaft hervorrufen. Der gemeinsame Ursprung aller Menschen, anschaulich gemacht unter dem Bilde des allen gemeinsamen ‚Vaters’ ruft zu wahrhaftem Freund-Sein aller Menschen untereinander auf.
Das Pfingstfest gilt von alters her als Fest der Verständigung, der Gemeinschaft im heiligen Geiste’.

Edward Dommen: Vertrauen am Arbeitsplatz

„Vertrauen am Arbeitsplatz“ stand im Mittelpunkt eines Seminars, das der Lutherische Weltbund (LWB) am 3. Mai im Ökumenischen Zentrum in Genf als zweites in einer Reihe theologischer Seminare zum Thema Arbeit und Glaube organisiert. In seiner Präsentation „Vertrauen: einige theologische Einsichten“ hat Edward Dommen, Quäker und Experte für Wirtschaftsethik, diesen Kontext untersucht – vielleicht wird seine Untersuchung später einmal in deutscher Sprache vorgelegt. Leider wurde in Kreisen der deutschsprachigen Quäker nirgends auf diesen Vortrag hingewiesen - dabei geht es um ein wichtiges Thema. Vielleicht können Auszüge des Vortrages später einmal in der Zeitschrift "Quäker" abgedruckt werden?

Werner Kremers: Hans Albrecht und die Kunst-Stellungnahme der Quäker

Immer wieder fasziniert das Kunstwerk "Jesus mit der Gasmaske" (George Grosz) - von dem Kunstwerk geht eine schockierende Kraft aus, bis heute. Hans Albrecht, damals Schreiber der DJV, trat einst vor Gericht als Gutachter auf und verteidigte den Künstler u.a. folgendermaßen:

„Diesen elenden, in der Umwelt des Krieges verhungerten Christus am Kreuz ist nichts genommen, was mit seiner Sendung für die Menschheit zusammenhängt. Noch strahlt der Ewigkeitsschein über ihm, noch im Tod hält er das Symbol des Kreuzes hoch, aber die Menschen haben ihm, der das Leid der Welt trägt statt der Dornenkrone eine Gasmaske umgehängt und Soldatenstiefel über die Füße gezogen. Das Bild schreit die furchtbare Anklage in die Welt hinaus: `Was habt ihr mit mir gemacht? Ich habe euch die Gotteskindschaft, den Frieden gebracht, ihr habt mich in eure Kriegsmaschine eingespannt! Ihr führt in meinem Namen Kriege Ich habe euch Liebe gepredigt. Ihr habt meine Predigt zum Gegenteil verkehrt und verwendet in meinem Namen alle Mordwerkzeuge, Giftgas, Feuerwerfer. Es ist ein jämmerlicher, unter der Sünde der Menschen fast vergehender Christus. Aus ihm spricht das ganze Seufzen der Kreatur nach Erlösung. Aus dem Bild spricht die Künstlerische Intuition einer tiefen religiösen Idee. Es ist ein Ecce homo, ein erschütternder Aufruf, Christus aus dem Gefängnis menschlicher Furchtbarkeit und Niedrigkeit zu befreien.“

20120517

Vatertag versus Himmelfahrt: Die Alkoholfrage bei Quäkern

Es ist wieder soweit, der Vatertag steht vor der Tür (bei einigen bekannt auch als „Christi Himmelfahrt“). Wie in jedem Jahr steht man vor der Entscheidung: Spirit oder Spiritus? 
Einen deutschen Quäkertext zu Himmelfahrt/Vatertag zu finden, war ausgesprochen schwierig. Dabei hat die Alkoholfrage auch unter Quäkern ihre Bedeutung gehabt; sie war einst ein Hauptthema in der „Temperanzbewegung“ (Mäßigkeitsbewegung) des 19. Jahrhunderts. Die Positionen waren aber nie einheitlich.
(source wikimedia)
Auch am Vatertag werden sich wieder Millionen für den Spiritus entscheiden, 
und nur wenige den freien Tag für ihr spirituelles Wachstum nutzen.

Quäker der Woche (20): Otto Buchinger

Otto Buchinger wurde am 16. Februar 1878 im hessischen Witzenhausen an der Werra geboren. Sein Vater war der Regierungsrat Johann Philipp Ludwig Hermann Buchinger (1845-1896), verheiratet mit Amalie Polexine Henriette Karoline Luise, geb. Busch (1848-1918). Gleich nach der Geburt zog die Familie nach Darmstadt, wo Hermann Buchinger als Großherzoglicher Hessischer Regierungsassessor Dienst tat. Mit seinem jüngeren Bruder Hans (geb. 1880) verbrachte Otto Buchinger eine ungetrübte Kindheit zwischen Karl-May-Lektüre, Waldwandern, Eislaufen im Winter und Käfersammeln im Sommer.

20120513

Neues zum „Rest-Home“: Hilfe für Opfer der NS-Diktatur 1933-1939 in Deutschland

Einer meiner ersten Beiträge zur Quäkerforschung war eine Arbeit zum „Rest-Home“, der 1999 abgeschlossen wurde und dann 2004 in der Zeitschrift „Exil. Forschung – Erkenntnisse – Ergebnisse“ (24, 2, 2004, S. 75-81) abgedruckt wurde. Seitdem habe ich mancherlei Korrespondenz und Gespräch geführt und konnte in minutiöser Kleinstarbeit in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe weiterer Personen ausfindig machen, die als Gäste des Rest-Home Hilfe erhalten haben. Noch 2007 schrieb mir der Königsteiner Heimatforscher Hermann Groß: „Sie wissen selbst am Besten, wie wenig hierüber bisher nach über 70 Jahren bekannt ist“. Dem kann man nur zustimmen. Ich hoffe aber, Stück für Stück, immer mehr Licht in diese faszinierende Rettungsgeschichte bedrohter Menschen zu bringen. Die neuen Erkenntnisse der letzten Jahre sind nun hier eingearbeitet worden, auch wenn noch lange nicht alles rekonstruiert ist, man vielleicht auch nicht alles an oder über diese Geschichte rekonstruieren kann. Dennoch halte ich die Geschichte um das Rest-Home für ein überaus wichtiges Thema nicht nur in der Quäkergeschichte, sondern auch in der breiteren, allgemeinen Geschichte: Widerstand gegen den Nationalsozialismus hat es von Anfang an gegeben, und das Rest-Home belegt, was möglich war, wenn man Mut und Weitsicht besaß.

20120510

Michael Luick-Thrams: "Traces"-Ausstellung in Tübingen

Die in den USA sehr erfolgreiche Ausstellung "Traces" ist zum ersten Mal in Europa zu sehen. Bis zum 8. Juni beleuchtet sie im Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen das Schicksal von deutschen und amerikanischen Gefangenen im Zweiten Weltkrieg.
Der amerikanische Quäker Michael Luick-Thrams lebt mittlerweile in Deutschland. Dafür nennt der Projektleiter einen klaren Grund: 'Ich konnte die Kriegspolitik meines Landes nicht mehr ertragen'. Der Appell für den Frieden ist ihm wichtig. In diesem Geist entstand 2004 auch der erste Teil der Ausstellung, die sich mit den rund 380.000 deutschen Gefangenen in den USA beschäftigt.
Erstveröffentlichung: 7. Mai 2012, Schwb. Tgbl. Tüb., Mit freundlicher Genehmigung von Sascha Geldermann.

20120509

Quäkerin der Woche: Marie Luise Pleißner (19)


Marie Luise Pleißner, geboren am 17. Mai 1891 in Chemnitz, wuchs in einem liberalen Elternhaus auf und begann frühzeitig, sich für theologische Fragen zu interessieren. Sechzehnjährig trat die Tochter eines Lehrerehepaares in das königlich-sächsische Lehrerinnen-Seminar zu Lichtenstein-Callnberg ein. Dort kamen ihr erste Zweifel an der Richtigkeit des Luthertums, was letztlich zur Verweigerung der Teilnahme am Abendmahl führte.

20120505

Die Kultur der Epistel: Ein Dokument von 1833

In Minden hat es im 19. Jahrhundert Quäker gegeben, und ich bin seit Jahren in Kontakt mit verschiedenen Nachkommen, die Briefe und Quäkerbücher in ihrem Besitz haben. Besonders gefreut hat es mich, als mir vorgestern unerwartet eine Materialsendung von Herrn Friedrich Rasche zugeschickt wurde, mit Büchern und Briefen aus dem 19. Jahrhundert. Für solches Material bin ich immer ganz besonders dankbar. Es wird einige Zeit dauern, bis ich das Material ausgewertet habe, aber einen Vorgeschmack möchte ich heute doch schon geben: eine Epistel aus dem Jahre 1833, die damals extra für eine handvoll deutscher Quäker übersetzt und gedruckt wurde.

Bushido goes Quäker


Den Berliner Skandalrapper „Bushido“ werden viele meiner (hoffentlich braven) Leser hier nicht unbedingt kennen. Bushido ist ein „Gangsta-Rapper“, der wirklich von ganz unten kommt (Ghetto Tempelhof), der etwa vor fünf Jahren seine größten Erfolge hatte und sich inzwischen auf seinen Brandenburger Alterssitz zur Ruhe gesetzt hat. 2006 oder 2007 war ich auf einem Konzert, auf dem u.a. Bushido auftrat, und muss sagen: erstklassige Performance.

Source: Wikimedia
Jeder guter Rapper ist ein „Skandalrapper“: Bushidos Album „bei Nacht“.

Alles wird gut“ ist immer noch einer seiner besten Songs. In der Vergangenheit ist unser Skandalrapper leider auch ein paar mal durch verbale Gewaltausbrüche aufgefallen, aber wer unter uns hat in seiner Jugend nicht auch einmal gesündigt? Denkt an Paulus...
Was, fragt sich der Leser, hat dieser Skandal-Bushido nun mit dem Quäkertum zu tun? Nichts, aber auch gar nichts, hätte ich noch 2011 geantwortet. Bis ich auf Inazo Nitobe gestoßen bin, einen Quäker aus dem fernen Kaisertum Japans.

20120502

Quäkerin des Monats (19): Hannah Stranger

Hannah Stranger, geboren um 1625, lebte in London und war mit dem Kammhersteller John Stranger (auch Stringer) verheiratet. Sie gehörte zum Kreise der Anhänger und Anhängerinnen um James Nayler (um 1617-1660), mit dem sie in persönlichem Kontakt und Korrespondenz stand. Im Dezember des Jahres 1656 wurde sie zusammen mit weiteren Quäkerinnen von George Fox (1624-1691) der Lüge und des Fehlverhaltens bezichtigt.