20140402

Maria Thum-von Heyl: Öffentlicher Vortrag zu Elizabeth Fry in Köln

Maria Thum-von Heyl wird am 8. April, um 15:30, in Köln über die Quäkerin Elizabeth Fry sprechen, im Rahmen des Frauenclubs "Lyceum Club Köln". Der Ort ist die Residenz am Dom, An den Dominikanern 6-8, 506608 Köln. Thum-von Heyl hat selbst mütterlicherseits familiäre Wurzeln, die bis zu Elizabeth Fry reichen. Ich hatte die Referentin zuletzt im September 2012 persönlich gesprochen, und möchte Ihren Vortrag wärmstens empfehlen. Gleichzeitig ist es für mich ein willkommener Anlass, noch einmal Leben und Wirken von Elizabeth Fry in Erinnerung zu rufen:

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Die spätere Reformerin kam als Elizabeth Gurney am 21. Mai 1780 in Gurney Court in Norwich zur Welt. Ihre Kindheit verbrachte „Betsy“ im nahegelegenen Earlham Hall, dem Anwesen der Familie. Ihr Vater, der Quäker Joseph Gurney (1749-1809), war ein erfolgreicher Kaufmann, Schlossbesitzer und Bankier, ihre Mutter Catherine stammte aus der Barclay-Familie, die ebenfalls im Bankwesen operierte. Da sie früh verstarb, war Elizabeth, das vierte von elf Kindern, bereits mit 12 Jahren für ihre jüngeren Geschwister verantwortlich, insbesondere für Hannah Gurney (gest. 1872) und Joseph John Gurney (1788-1847).
Ihre Mutter blieb jedoch eine zeitlebens prägende Person, die nicht nur den Söhnen, sondern auch den Töchtern eine bestmögliche Ausbildung zukommen ließ (in Geschichte, Latein und Französisch) und sich gegen manche Quäkertraditionen hinwegsetzte, etwa, indem sie farbige Kleider anstatt die graue Quäkeruniform trug, gleichzeitig aber dafür sorgte, dass die Kinder täglich zwei Stunden (!) religiöse Andacht zu halten hatten.
Im Alter von achtzehn Jahren war Elizabeth tief von William Savery (1750-1804) beeindruckt, einem evangelikalem Quäkerprediger aus den USA, der bei der jungen Frau einen ekstatischen Zusammenbruch auslöste: unter stundenlangem Weinkrämpfen prophezeite ihr Savery, sie sei zu einem hohen und wichtigem Werk berufen. Er motivierte sie, sich für Arme, Gefangene und Ausgegrenzte einzusetzen. Die junge Quäkerin wandte von ihrem farbenfrohen Leben und ihrer Begeisterung für republikanische Ideen ab und vertrat hinfort moralisch rigorose Positionen. Ihr karitatives Wirken begann sie mit Hausbesuchen und einer Sonntagsschule. Dabei lernte sie 1799 den Quäker Joseph Fry (1777-1861) kennen, einen weiteren Quäker-Bankier aus London. Nach ihrer Hochzeit am 19. August 1800 im Norwich Goat Lane Friends Meeting House zählte Elizabeth Fry zu den reichsten Quäkerperönlichkeiten des Landes. Aus der Verbindung sind zwischen 1801 und 1822 nicht weniger als elf Kinder hervorgegangen, darunter die Historikerin Katherine Fry (1801-1886). Das Ehepaar Fry zog nach Plashet House im heutigen East Ham, London, wo Elizabeth im März 1811 von den Quäkern als „Minister“, als Predigerin, offiziell anerkannt wurde.
1813 besuchte Elizabeth Fry, motiviert von dem Quäker Stephen Grellett (1773-1855), erstmals das berüchtigte Londoner Newgate-Gefängnis, konnte aber wegen Differenzen innerhalb ihrer Familie ihre Gefangenenarbeit erst 1816 beginnen. Um dieses Jahr richtete sie eine Gefangenenkapelle ein und gründete eine Schule für gefangene Kinder, in der besonders auf Bibellektüre Wert gelegt wurde. 1819 erfolgte die Einrichtung einer Lehr- und Arbeitsschule für verurteilte weibliche Gefangene, die unter dem Namen des Newgater Vereins von einer Vorsteherin und zwölf Frauen geleitet wurde.
1828 ging die Fry-Bank ihres Ehemanns Bankrott. Der Vorwurf, sie habe Gelder aus der Bank ihren karitativen Zwecken zugeführt, konnte ebensowenig entkräftet werden wie Vorwürfe, Gelder aus den karitativen Einrichtungen der Frys würden nicht den Bedürftigen, sondern der Bank zugute kommen. Nur durch die großzügige Hilfe ihres Bruders Joseph John konnte Elisabeth Fry ihre Arbeit fortsetzen, da dieser ihr eine Pension von jährlich 1.600 Pfund zusprach. Die 1830er Jahre verbrachte Fry zumeist damit, ihre Reformanliegen durch Reisen und Traktate in ganz Europa bekannt zu machen. Ab 1843 war Elizabeth Fry aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Reisen zu machen. Aber sie hielt immer noch den Kontakt zu diversen Gefängnisbeamten, um weitere Verbesserungen einzuleiten und zu überwachen. Elizabeth Fry verstarb mit 65 Jahren am 12. Oktober 1845 in Ramsgate und wurde von über tausend Trauernden auf dem Quäkerfriedhof in Barking bestattet.
Fry war im 19. Jahrhundert die treibende Kraft hinter den Bestrebungen einer Gefängnis- und Strafgesetzesreform, wobei ihr Traktat „Prisons in Scotland and the North of England“ (1819) maßgeblichen Einfluss hatte. Nachdem Fry als erste Frau im House of Commons vorsprach, wurde der Strafvollzug vor allem durch den „Gaols Act“ von 1823 humaner gestaltet. Als erste große öffentliche Leistung war es ihr fünf Jahre zuvor gelungen, bessere Zustände für die Gefangenen in Newgate durchzusetzen. Dazu gehörten die Klassifikation der Kriminellen, weibliches Aufsichtspersonal für Frauen und Festschreibungen für religiöse und säkulare Handlungen für diejenigen Gefangenen, die solches wünschten. Diese Verbesserungen wurden schnell von anderen Gefängnissen in ganz England übernommen. 
Fry setzte sich, gemeinsam mit ihrem Bruder Joseph John, auch für die Abschaffung der Todesstrafe ein und nahm sich immer wieder besonders tragischer Einzelfälle an, so der Gefangenen Charlotte Newman, Mary Ann James oder Harriet Skelton, für die sie nationale Kampagnen ins Leben rief. Um 1820 richtete sie in London eine erste Übernachtungsmöglichkeit für Obdachlose ein. In Brighton gründete sie 1824 die „Brighton District Visiting Society“, in der sich Wohlhabende bereit erklärten, Arme zu besuchen und konkret in Einzelfällen unbürokratisch zu helfen. Das Modell war erfolgreich und wurde bald von anderen Städten übernommen. 1840 eröffnete sie in London das Institute of Nursing, eine Ausbildungsstätte für Krankenschwestern als Abteilung des dortigen Guy’s Hospital, die wohlhabende und gläubige Frauen aufnahm, um sie in praktischer häuslicher Krankenpflege zu unterrichten.
Fry propagierte ihre Reformanliegen auf Reisen in Amerika, Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich. Dort traf sie 1838 mit führenden Beamten der Gefängnisaufsicht zusammen und erhielt 1839 die offizielle Erlaubnis, alle Gefängnisse in Frankreich besuchen zu dürfen, um einen detaillierten Bericht erstellen zu können. Im Sommer 1840 reiste sie durch Belgien, die Niederlande und nach Preußen, wo sie die Pastoren Theodor Fliedner (1800-1864) in Johann Hinrich Wichern (1808-1881) bestärkte, sich für Bedürftige einzusetzen. 
Fry wurde schnell zur bekanntesten Quäkerin ihrer Zeit und war als „Engel der Gefangenen“ bekannt. Zu ihren Förderinnen zählte nicht zuletzt Queen Victoria (1819-1901), die ihr mehrfach Audienz gewährte. An Fry schieden sich die Geister, sie hatte entschiedene Fürsprecher wie scharfe Kritiker. Ihrerzeit musste sie sich noch mit Vorwürfen auseinandersetzen, als Frau ihren häuslichen Pflichten nicht nachzukommen und auf Gebieten mitzureden, die sie als Frau nichts angehen würden. Auch aus den Reihen der Gefangenen, die auf Alkohol und Glücksspiel nicht verzichten wollten, kam gelegentlich Protest. Selbst Quäker beschwerten sich, dass Frys Kinder überwiegend Nichtquäker heirateten und bis auf eine Ausnahme alle aus der Gemeinde austraten. Schwerer hingegen wog die Kritik ihrer politischen Gegner, dass die umstrittenen Reformen Frys die Kriminalität förderten, da die abschreckende Wirkung der Strafe angeblich verloren ginge.

Lit.: Dietmar Kruczek: Der ‚Engel von Newgate’. Das Leben der Elizabeth Fry, Neukirchen-Vluyn 1996; Gerlinde Viertel: Elizabeth Fry (1780-1845). Eine christliche Sozialreformerin, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, 55, 2006, S. 343-362.



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