20140526

Evangelikales Quäkertum: Hannah Whitall Smith (1832-1911)

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Nur wenigen ist bekannt, dass Hannah Whitall Smith, eine bedeutende Galionsfigur des evangelikalen Christentums in den USA, auch eine Quäkerin gewesen ist. 1832 wurde sie als Tochter von John Mickle Whitall und Mary Tatum Whitall in einer Quäkerfamilie in Philadelphia geboren, deren Vorfahren mit William Penn nach Amerika gekommen waren. Ihre Erziehung nach den damaligen Quäkergrundsätzen war streng und rigide, eröffnete ihr aber auch den Blick nach Innen. Allerdings glaubte man, dass es bereits genüge, als Quäker geboren zu sein, um zu den Wiedergeborenen zu gehören. Außer der Lehre von dem Inneren Licht lernte Smith in ihrer Kindheit keine religiösen Lehren kennen, da diese bei manchen Quäkern damals für überflüssig erachtet wurden.
Am 5. November 1851 heiratete sie den Quäker Robert Pearsall Smith (1827-1898) und zog mit ihm nach Germantown. Später, von 1864 bis 1868, lebten Hannah und Robert Smith in Millville, New Jersey, wo Robert eine Glasfabrik des Vaters von Hannah leitete. Erst 1858 verließ sie mit ihrer Familie die Quäker, da diese ihre Bekehrung zum Christentum nicht anerkennen wollten. Denn in den Jahren zuvor war das Ehepaar Smith immer stärker mit der methodistisch geprägte Heiligungsbewegung in Kontakt gekommen. Diese Bewegung ist zwar selbst eine der Wurzeln des evangelikalen Quäkertums von Indiana und der Westküste, wurde aber von den konservativen Quäkern des Ostens strikt abgelehnt.
Hannah Whitall Smith ist bis heute vor allem wegen ihres Buchs „The Christian’s Secret of a Happy Life“ (Das Geheimnis eines glücklichen Christenlebens) bekannt, das sie 1870 veröffentliche. Es wurde ein Erfolg in vielen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften. Gegen und für „Geheimnis eines glücklichen Christenlebens“ ist viel geschrieben worden. 
1874 siedelte Hannah Whitall Smith mit ihrer Familie nach England über, wo sie innerhalb der Plymouth Brethren, einer freikirchlichen Bewegung, aktiv wurde. Im gleichen Jahr durchzogen sie predigend auch Deutschland und die Schweiz. Wie die deutschen Quäker darauf reagierten, ist nicht bekannt. Sie unterstützte ihren Mann auf großen christlichen Konferenzen in Oxford, Keswick und Brighton, trat aber auch selbst immer wieder als geschätzte Predigerin auf. Sie setzte sich für öffentliche Lehrtätigkeit von Frauen ein, warb für das Frauenwahlrecht und wurde 1874 Mitbegründerin der Women’s Christian Temperance Union, die gegen Alkoholmissbrauch kämpfte und in der auch viele Quäker mitarbeiteten. Von 1875 bis 1888 lebte Hannah Smith wieder in den USA, da es in England zu einem letztlich nie geklärten moralischen Vorfall um ihren Ehemann kam, der sich inzwischen mit Spiritismus beschäftigte. Aus der aktiven Unterstützung der Heiligungsbewegung zog sie sich zurück. 1888 ließ die Familie dann endgültig in London nieder, da dort die Tochter Mary (1864-1945) einen irischen Anwalt geheiratet hatte. Eine andere Tochter, Alys (1867-1951), heiratete ebenfalls in England, nämlich den Philosophen Bertrand Russell (1872-1970). Der Sohn Logan Pearsall Smith (1865-1946) wurde Literaturkritiker. Vier weitere Kinder verstarben früh.
In England angekommen setzte sich Hannah Smith erneut für die Frauenrechtsbewegung ein und nahm wieder ihre Predigttätigkeit im Rahmen des „Higher Life movement“ auf. 1903 veröffentlichte sie ihre Autobiographie „The Unselfishness of God and how I Discovered It“. Darin beschreibt sie vor allem, wie sie vom moralisch toten, gesetzlichen Quäkertum zu einem lebendigen Glauben an Christus gekommen ist. Zentrum ihrer Ausführungen und Lehre ist die Apokatastasis panton, die Allaussöhnung mit sich selbst, allen übrigen Menschen und schließlich auch den Tieren. Diese universalistischen Passagen wurde von evangelikalen Herausgebern zensiert und weggelassen. Eine textkritische Ausgabe ihrer Schriften wurde bislang nicht unternommen. Nach dieser Publikation trat Smith aus gesundheitlichen Gründen und wegen ihres hohen Alters nicht mehr öffentlich auf, bis sie am 1. Mai 1911 in Iffley bei Oxford verstarb.

Lit.: Ray Strachey: Quaker grandmother: Hannah Whitall Smith, New York 1914; Paul Fleisch: Die Heiligungsbewegung von den Segenstagen in Oxford 1874 bis zur Oxford-Gruppen-Bewegung Frank Buchmans, Basel 2003.

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