20170430
Zum Reformationsjubiläum 2017: Martin Luther - George Fox
Ein
Beitrag zur religionsgeschichtlichen Vergleichsforschung:
Luther
und Fox. Luthertum und Quäkertum
Ein methodisches Vorwort: der historische Vergleich
Die Geschichte des Luthertums und des Quäkertums fängt an, als
diese Begriffe noch gar nicht existierten, denn es ist mit Martin
Luther und George Fox im 16. bzw. 17. Jahrhundert zu beginnen. Da die
Quäker rund 150 Jahre nach Luther entstanden sind, finden sich schon
in ihrer Genese Elemente der Rezeption des Luthertums, was hier etwas
näher vorgestellt werden soll.
Luther (links) und Fox (rechts)
Freilich: Ein Vergleich dieser beiden Personen, und im weiteren Sinne
dieser beiden Glaubensgemeinschaften, bringt erhebliche
Schwierigkeiten mit sich, da es sich um verschiedene
Entstehungszeiten, verschiedene Glaubensformen sowie verschiedene
Länder und Sprachen handelt.
Bevor nun ein Vergleich zwischen Luther und Fox vorgenommen werden
soll, werden einige Worte über die Methode des Vergleichs
vorauszuschicken sein.i
In der Geschichtswissenschaft, weniger in der Theologie, aber
vermehrt wieder in den Religionswissenschaften, hat man sich intensiv
mit Vergleichen im Rahmen der historischen Komparatistik
auseinandergesetzt. Seit 1991 gibt es sogar eine Zeitschrift,
„Comparativ“, die sich dieser Methode verschrieben hat.
In der modernen Geschichtswissenschaft wurde schon seit Mommsen und
Ranke verglichen, wohingegen die wissenschaftliche Reflexion des
Vergleichs einhundert Jahre später einsetzte. Man kann also
Vergleiche vornehmen und dabei glänzende Ergebnisse erzielen, ohne
sich über das Instrumentarium bewusst zu sein, dessen man sich
bedient. Erst Otto Hintze und Marc Bloch haben – letztlich ohne
Erfolg – in den 1920er Jahren versucht, mit dem Vergleich
nationalstaatliche Paradigma zu überwinden, deren Forschungen später
von Hartmut Kaelble auf eine europäische Ebene gebracht und
weiterentwickelt wurden. Eine bis heute anhaltende Diskussion hat die
Vergleichsproblematik in der Zeitgeschichte, entstanden am
Diktaturenvergleich des „Dritten Reichs“ mit der DDR, worin es
aber weniger um die Methode, sondern um die politische Legitimität
von Vergleichen geht.
20170416
Johann Georg Gichtel, Elisabeth zu Herford, Radikalpietismus
„Daß Innerste meines Hertzens mittheilen“
Herford nimmt in der
frühneuzeitlichen Religionsgeschichte als Bezugspunkt heterodoxer,
von der offiziellen kirchlichen Lehre abweichender,
Religionsgemeinschaften eine exponierte Stellung ein. Zwar bezieht
sich dies auf den relativ kurzen Zeitraum der Regierungszeit der
Pfalzgräfin Elisabeth, doch die Ereignisse um Labadisten,
Radikalpietisten und Quäker haben immer wieder die Forschung
stimuliert. Erst jüngst wurde in einer geschichtswissenschaftlichen
Dissertation die Position der Äbtissin, neben Franciscus Mercurius
van Helmont und Benjamin Furley, als „Maklerfigur“ zwischen
Konfessionen und religiös-heterodoxen Bewegungen charakterisiert (1).
Das Quäkertum war die wichtigste
Religionsgemeinschaft der Frühen Neuzeit, die in Deutschland von
außen kommend Fuß fasste. Zahlreiche Herrscher und kirchliche
Würdenträger wurden gezielt von England aus aufgesucht, in
Norddeutschland entstanden an verschiedenen Orten Quäkergemeinden,
die in ein internationales transatlantisches Netzwerk dieser
Religionsgemeinschaft eingebunden waren. Die Reaktion der Obrigkeit
war differenziert, es gab Beispiele brutaler Verfolgung, und, wie
hier, Beispiele bemerkenswerter Toleranz.
Im hiesigen Beitrag wird es um die
interdependenten Beziehungen zwischen der Äbtissin einerseits, den
Quäkern und dem Radikalpietisten Gichtel andererseits gehen. Es kann
gezeigt werden, dass der Reise der Quäker nach Herford von 1677
weitere, weniger bekannte, Besuche vorausgingen, und das diese Reisen
Folgen hatten, weit über Herford hinaus. An Gichtel, der 1677
ebenfalls mit Quäkern persönlich zusammentraf, zeigt sich, dass
pietistisch gesinnte Persönlichkeiten über Konfessionsgrenzen
hinweg miteinander kommunizierten, da es in solchen Kreisen nicht
primär um Mission, sondern um eine biblisch zentrierte
Lebensausrichtung und Lebensführung ging.
(1) Sünne Juterczenka: Über Gott und die Welt. Endzeitvisionen,
Reformdebatten und die europäische Quäkermission in der Frühen
Neuzeit. Göttingen 2008, S.140-146 (Veröffentlichungen des
Max-Planck-Instituts für Geschichte 143). Ein entscheidender
Unterschied zwischen der Äbtissin und den anderen beiden Personen
ist freilich, dass sie nicht den Quäkern angehörten.
aus: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford, 16, 2009, S. 203-220.